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Die Wahlverwandtschaften

Die Wahlverwandtschaften

Titel: Die Wahlverwandtschaften
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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selbstsüchtig genannt werden soll, was will man so nennen!
    Nimm Ottilien, laß mir den Hauptmann, und in Gottes Namen sei der Versuch gemacht!« »Es möchte noch zu wagen sein«, sagte Charlotte bedenklich, »wenn die Gefahr für uns allein wäre.
    Glaubst du denn aber, daß es rätlich sei, den Hauptmann mit Ottilien als Hausgenossen zu sehen, einen Mann ohngefähr in deinen Jahren, in den Jahren – daß ich dir dieses Schmeichelhafte nur gerade unter die Augen sage –, wo der Mann erst liebefähig und erst der Liebe wert wird, und ein Mädchen von Ottiliens Vorzügen?« »Ich weiß doch auch nicht«, versetzte Eduard, »wie du Ottilien so hoch stellen kannst!
    Nur dadurch erkläre ich mir's, daß sie deine Neigung zu ihrer Mutter geerbt hat.
    Hübsch ist sie, das ist wahr, und ich erinnere mich, daß der Hauptmann mich auf sie aufmerksam machte, als wir vor einem Jahre zurückkamen und sie mit dir bei einer Tante trafen.
    Hübsch ist sie, besonders hat sie schöne Augen; aber ich wüßte doch nicht, daß sie den mindesten Eindruck auf mich gemacht hätte«. »Das ist löblich an dir«, sagte Charlotte, »denn ich war ja gegenwärtig; und ob sie gleich viel jünger ist als ich, so hatte doch die Gegenwart der ältern Freundin so viele Reize für dich, daß du über die aufblühende, versprechende Schönheit hinaussahest.
    Es gehört auch dies zu deiner Art zu sein, deshalb ich so gern das Leben mit dir teile«.
    Charlotte, so aufrichtig sie zu sprechen schien, verhehlte doch etwas.
    Sie hatte nämlich damals dem von Reisen zurückkehrenden Eduard Ottilien absichtlich vorgeführt, um dieser geliebten Pflegetochter eine so große Partie zuzuwenden; denn an sich selbst in bezug auf Eduard dachte sie nicht mehr.
    Der Hauptmann war auch angestiftet, Eduarden aufmerksam zu machen; aber dieser, der seine frühe Liebe zu Charlotten hartnäckig im Sinne behielt, sah weder rechts noch links und war nur glücklich in dem Gefühl, daß es möglich sei, eines so lebhaft gewünschten und durch eine Reihe von Ereignissen scheinbar auf immer versagten Gutes endlich doch teilhaft zu werden.
    Eben stand das Ehepaar im Begriff, die neuen Anlagen herunter nach dem Schlosse zu gehen, als ein Bedienter ihnen hastig entgegenstieg und mit lachendem Munde sich schon von unten herauf vernehmen ließ:» kommen Euer Gnaden doch ja schnell herüber!
    Herr Mittler ist in den Schloßhof gesprengt.
    Er hat uns alle zusammengeschrieen, wir sollen sie aufsuchen, wir sollen Sie fragen, ob es not tue.
    ›Ob es not tut‹, rief er uns nach, ›hört ihr?
    Aber geschwind, geschwind!‹.
    »Der drollige Mann!« rief Eduard aus; »kommt er nicht gerade zur rechten Zeit, Charlotte?«
    – »Geschwind zurück!« befahl er dem Bedienten; »sage ihm, es tue not, sehr not!
    Er soll nur absteigen.
    Versorgt sein Pferd; führt ihn in den Saal, setzt ihm ein Frühstück vor!
    Wir kommen gleich«.
    »Laß uns den nächsten Weg nehmen!« sagte er zu seiner Frau und schlug den Pfad über den Kirchhof ein, den er sonst zu vermeiden pflegte.
    Aber wie verwundert war er, als er fand, daß Charlotte auch hier für das Gefühl gesorgt habe.
    Mit möglichster Schonung der alten Denkmäler hatte sie alles so zu vergleichen und zu ordnen gewußt, daß es ein angenehmer Raum erschien, auf dem das Auge und die Einbildungskraft gerne verweilten.
    Auch dem ältesten Stein hatte sie seine Ehre gegönnt.
    Den Jahren nach waren sie an der Mauer aufgerichtet, eingefügt oder sonst angebracht; der hohe Sockel der Kirche selbst war damit vermannigfaltigt und geziert.
    Eduard fühlte sich sonderbar überrascht, wie er durch die kleine Pforte hereintrat: er drückte Charlotten die Hand, und im Auge stand ihm eine Träne.
    Aber der närrische Gast verscheuchte sie gleich.
    Denn dieser hatte keine Ruh im Schloß gehabt, war spornstreichs durchs Dorf bis an das Kirchhoftor geritten, wo er still hielt und seinen Freunden entgegenrief: »Ihr habt mich doch nicht zum besten?
    Tuts wirklich not, so bleibe ich zu Mittage hier.
    Haltet mich nicht auf!
    Ich habe heute noch viel zu tun«.
    »Da Ihr Euch so weit bemüht habt«, rief ihm Eduard entgegen, »so reitet noch vollends herein; wir kommen an einem ernsthaften Orte zusammen; und seht, wie schön Charlotte diese Trauer ausgeschmückt hat!« »Hier herein«, rief der Reiter, »komm ich weder zu Pferde, noch zu Wagen, noch zu Fuße.
    Diese da ruhen in Frieden, mit ihnen habe ich nichts zu schaffen.
    Gefallen muß ich mirs lassen, wenn
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