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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder!
Autoren: Bertha von Suttner
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kein weiches Bett für dich – da mußt du auf harter, nasser Erde liegen ... vielleicht in einem Graben – hilflos – verwundet ...« Bei diesem Gedanken konnte ich nicht anders, als mir eine klaffende Säbelhiebwunde auf seiner Stirn vorstellen, von der das Blut herabsickert, oder ein Kugelloch in seiner Brust ... und ein heißer Mitleidsschmerz ergriff mich. Wie gerne hätte ich meine Arme um ihn geschlungen und ihn geküßt, aber ich durfte ihn nicht wecken; er brauchte diesen stärkenden Schlaf. Nur noch sechs Stunden ... tick – tack – tick – tack: unbarmherzig schnell und sicher geht die Zeit jedem Ziele entgegen. Dieses gleichgültige Tick – Tack tat mir weh. Auch das Licht brannte ebenso gleichgültig hinter seinem Schirm, wie diese Uhr mit ihrem blöden regungslosen Bronze-Amor tickte ... Begriffen denn all diese Dinge nicht, daß dies die letzte Nacht war? Die tränenden Lider fielen mir zu, das Bewußtsein schwand allmählich, und den Kopf auf das Kissen sinken lassend, schlief ich dennoch selber ein. Aber immer nur auf kurze Zeit. Kaum verlor sich mein Sinn in die Nebel eines formlosen Traumes, so krampfte mein Herz sich plötzlich zusammen und ich erwachte durch einen heftigen Schlag desselben, mit dem gleichen Angstgefühle, wie wenn man durch Hilferuf oder Feuerlärm geweckt wird ... »Abschied, Abschied!« hieß der Alarm. Als ich zum zehnten oder zwölftenmal so aus dem Schlummer auffuhr, war es Tag und die Kerze flackerte noch. Man klopfte an der Tür.
    »Sechs Uhr, Herr Oberleutnant,« meldete die Ordonnanz, welche Befehl erhalten hatte, rechtzeitig zu wecken.
    Arno richtete sich auf ... Jetzt also war die Stunde gekommen – jetzt würde es gesprochen werden, dieses jammer-jammervolle Wort »Lebewohl«.
    Es war ausgemacht worden, daß ich ihn nicht zur Bahn begleiten würde. Die eine Viertelstunde mehr oder weniger des Beisammenseins – auf die kam es nicht mehr an. Und das Leid der letzten Losreißung, das wollte ich nicht vor fremden Leuten bloßlegen; ich wollte allein in meinem Zimmer sein, wenn der Abschiedskuß getauscht worden, um mich auf den Boden werfen – um schreien, laut schreien zu können.
    Arno kleidete sich rasch an. Dabei sprach er allerlei Tröstliches auf mich ein:
    »Wacker, Martha! In längstens zwei Monaten ist die Geschichte vorbei und ich bin wieder da ... Zum Kuckuck – von tausend Kugeln trifft nur eine und die muß nicht gerade mich treffen ... Es sind andere auch schon aus dem Krieg zurückgekommen: sieh' deinen Papa. Einmal muß es doch sein. Du hast doch keinen Husarenoffizier in der Idee geheiratet, sein Handwerk sei Hyazinthenzucht? Ich werde dir oft schreiben, so oft als möglich, und dir berichten, wie frisch und fröhlich die ganze Kampagne vor sich geht. Wenn mir was Schlimmes bestimmt wäre, so könnte ich mich nicht so wohlgemut fühlen ... einen Orden geh' ich mir holen, weiter nichts ... Gib nur hier recht acht auf dich selber und auf unseren Ruru – der wenn ich avanciere, auch wieder um einen Grad vorrücken darf. Grüß ihn von mir ... ich will den Abschied von gestern abend nicht noch wiederholen ... Dem wird's einmal ein Vergnügen sein, wenn ihm sein Vater erzählt, daß er im Jahre 59 bei den großen italienischen Siegen dabei gewesen« ...
    Ich hörte ihm gierig zu. Dieses zuversichtliche Geplauder tat mir wohl. Er ging ja gern und lustig fort – mein Schmerz war also ein egoistischer, daher ein unberechtigter – dieser Gedanke würde mir die Kraft geben, ihn zu überwinden.
    Wieder klopfte es an der Tür.
    »Es ist schon Zeit, Herr Oberleutnant.«
    »Bin schon fertig – komme gleich.« Er breitete die Arme aus: »Also jetzt, Martha, mein Weib, mein Lieb –«
    Schon lag ich an seiner Brust. Reden konnte ich nicht. Das Wort Lebewohl wollte nicht über die Lippen – ich fühlte, daß ich bei Äußerung dieses Wortes zusammenbrechen mußte, und die Ruhe, den Frohmut seiner Abfahrt durfte ich ja nicht vergällen. Den Ausbruch meines Schmerzes sparte ich mir – wie eine Art Belohnung – auf das Alleinsein auf.
    Nunmehr aber sprach er es, das herzzerreißende Wort:
    »Leb' wohl, mein Alles, leb' wohl!« und drückte innig seinen Mund auf den meinen.
    Wir konnten uns aus dieser Umarmung gar nicht losreißen – war es doch die letzte! Da plötzlich fühle ich, wie seine Lippen beben, seine Brust sich krampfhaft hebt ... und – mich freilassend, bedeckt er sein Gesicht mit beiden Händen und schluchzte laut auf.
    Das war zu viel für
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