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Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand
Autoren: Ann Rosman
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später mitteilte, dass er nicht beabsichtige, zu Vendela und dem gemeinsamen Sohn in Schweden zurückzukehren. Möglicherweise wären die Dinge anders verlaufen, wenn Charlie einen Vater gehabt hätte, an dem er sich orientieren konnte, aber im Grunde bezweifelte sie das. Sie stellte den Eimer ab und ging hinters Haus, um Charlie zu fragen, ob er Durst habe. Das Gerüst, auf dem ihr fünfzehnjähriger Sohn am Morgen gestanden und die Farbe von der Wand geschabt hatte, war jedoch leer. Der Spachtel undseine Kappe lagen auf dem Boden, und das Radio lief noch. Vielleicht hatte er nur eine Pause eingelegt, doch wie immer, wenn er ohne ein Wort verschwand, wurde Vendela unruhig.
    Obwohl sie regelmäßig kamen, konnte sie sich einfach nicht an die Anrufe von Lehrern und Schulleitern gewöhnen.
    »Hat er sich aus dem Staub gemacht?« Jessica kam um die Ecke. Sie nahm die große Sonnenbrille ab und sah sich um. Der Duft von Sonnencreme mit Kokosnuss umgab sie.
    »Ich weiß nicht. Wann hast du ihn denn zuletzt gesehen?«, fragte Vendela.
    Jessica zuckte die Achseln.
    »Typisch Charlie. Er ist bestimmt zu seinen Jungs nach Göteborg gefahren.« Vendela überlegte kurz, widerstand aber dem Impuls, zur Bremsegårdsvik hinunterzurennen und nachzusehen, ob das Boot noch da war.
    Als hinter ihnen die alte Kuhstalltür knarrte, drehten sie sich um. Charlie stand im Türrahmen.
    »Gibt es noch Ersatzklingen für den Schaber, Mama? Meiner ist schon ganz stumpf.«
    Vendela warf Jessica einen wütenden Blick zu und ging zu ihrem Sohn hinüber.
    »Wenn dort keine sind, gibt es vielleicht im Holzschuppen noch welche, aber was hältst du davon, erst mal etwas zu trinken und dann baden zu gehen. Ich muss nur noch die Kartoffeln aufsetzen.«
    »Ich bin dabei!«
    Vendela machte sich gar nicht erst die Mühe, Jessica zu fragen, ob sie mitkommen wolle. Sie fragte sich, ob Jessica die ganze Zeit gewusst hatte, dass Charlie im Kuhstall war. Gewundert hätte es sie nicht.
    Gemeinsam mit ihrem Sohn ging Vendela durch das Gartentor und bog in den Trampelpfad zur Bremsegårdsvikein. Rickard kam ihnen auf dem grasbewachsenen Weg entgegen.
    »Wir gehen baden. Kommst du mit?«
    »Ich komme gerade von dort. Es ist ziemlich kalt.« Sein dunkles Haar kringelte sich, und auf sein grünes T-Shirt tropfte Salzwasser.
    »Du warst doch schon immer eine Memme, Brüderchen. Aber umso besser, dann kannst du dir überlegen, was wir zu den Kartoffeln essen sollen.«
    »Klar. Was haben wir denn?«
    »Keine Ahnung. Wirf doch mal einen Blick in den Kühlschrank. Ich glaube, es ist noch ein Stück Kassler da. Ansonsten muss einer von uns mit dem Boot nach Koö hinüberfahren. Wenn wir allerdings noch irgendetwas zum Abendessen finden, können wir auch morgen einkaufen gehen.«
    Vendela betrachtete Charlie, der von den Klippen ins Wasser sprang. Er wurde seinem Vater von Tag zu Tag ähnlicher.
    »Ist es kalt?«
    »Nee. Jetzt komm, Mama!«
    Vendela hielt sich die Nase zu und sprang hinein. Salzwasser umfing sie. Als sie wieder auftauchte und Luft holte, fühlte sie sich wie neugeboren. Keine Feuerquallen. Obwohl das Wasser hier sechs Meter tief war, sah man die Algen am Grund wogen. Vendela schwamm ein paar Züge auf Marstrandsö zu. Einmal waren Rickard und sie über den ganzen Sund bis zum Strandverket hinübergeschwommen. Als sie am anderen Ufer angekommen waren, hatten sie keine Kraft mehr zurückzuschwimmen. Sie hatten bereits den Hinweg nur mit Mühe und Not geschafft. Es war das einzige Mal, dass Tante Astrid richtig böse auf sie wurde. Astrid hatte in der letzten Ferienwoche auf der Insel die Verantwortungfür sie gehabt. Vendelas und Rickards Eltern, die wieder arbeiten mussten, erfuhren nie von dem Vorfall, der Gott sei Dank gut ausgegangen war.
    »Du musst endlich lernen zu tauchen«, sagte Charlie, während er auf die Felsen kletterte. Er legte sich das Handtuch über die Schultern. Vendela stieg aus dem Wasser und setzte sich neben ihren Sohn.
    »Dein Vater ist ein guter Taucher.«
    »Ich weiß.«
    Sie wrang ihr Haar und flocht es zu einem Zopf. In ihrer Jugend war sie im Sommer immer weißblond geworden. »Engelchen« hatte Astrid sie dann immer genannt. Mittlerweile wurden nur noch einzelne Strähnchen heller und erinnerten noch im Herbst an den Sommer auf Klöverö. Ihr Sohn war jedoch schon hellblond und hatte eine gesunde Bräune.
    »Geht es dir gut, Charlie?«
    »Hör auf, Mama.«
    »Nerve ich dich?«
    »Ständig, ey.«
    Vendela verkniff sich die
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