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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem
Autoren: Franziska Wulf
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ausprobieren«, sagte Rashid und kniff die Augen zusammen. »Hat einer von euch eine Münze dabei?«
    Cosimo zog aus einer Tasche einen Golddinar hervor und reichte ihn Rashid.
    »Kopf bedeutet rechts, Zahl bedeutet links, weder noch heißt geradeaus.« Er warf die Münze hoch. Vier Augenpaare beobachteten gespannt, wie sie bis zur Höhlendecke flog, sich mehrfach in der Luft um ihr eigene Achse drehte, und dann wieder zu Boden fiel, über den unebenen Boden rollte und – hochkant zwischen zwei Steinen stecken blieb.
    »Das ist wohl eindeutig«, sagte Rashid und schulterte wieder seine Tasche. »Wir gehen geradeaus.«
    Sie folgten ihm. Als Anne an der Münze vorbeikam, bückte sie sich, hob sie auf und ließ sie in ihre Tasche gleiten. Sie hätte selbst nicht erklären können, weshalb sie das tat. Cosimo würde das Geldstück wohl kaum vermissen. Trotzdem wollte sie es nicht hier liegen lassen.
    Das letzte Gefecht
    Der Gang, dem sie jetzt folgten, war noch schmaler, als es anfangs den Anschein gehabt hatte, und er machte so viele Kurven und Biegungen, führte auf und wieder ab, dass Anne sich schließlich fragte, ob sie sich nicht doch falsch entschieden hatten. Sie waren bestimmt schon seit über einer Stunde unterwegs , und immer noch schien der Gang kein Ende zu nehmen. Und dann, als sie schon überlegten, ob sie nicht wieder umkehren sollten, hörte der Gang plötzlich auf. Einfach so. Und sie standen vor einer glatten Felswand.
    »Was ist denn jetzt los?«, fragte Cosimo, und Anselmo stöhnte gequält auf.
    »O nein, auch das noch!«, sagte er und fuhr sich durch die Haare. »Wir sind die ganze Zeit in die falsche Richtung gelaufen .«
    Aber Rashid schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht«, sagte er, und Anne fragte sich, aus welcher Quelle er seine Zuversicht schöpfte. Sie konnte an der glatten Felswand nichts entdecken, das ein hinreichender Grund für Optimismus hätte sein können. »Alles im Leben hat einen Sinn. Das gilt selbst für den Wurf einer Münze.« Er leuchtete die glatte Felswand ab. »Spürt ihr auch diesen Luftzug? Vielleicht gibt es hier irgendwo einen geheimen Ausgang.«
    Anne sah sich um. Im flackernden Schein der Fackel war es schwierig, irgendetwas genau zu erkennen, und doch hatte sie den Eindruck, dass sich in der Mitte der Decke ein Quadrat befand, das nicht so aussah, als wäre es auf natürlichem Wege entstanden.
    »Seht mal dort oben!«, rief sie und zeigte zur Höhlendecke. Rashid hielt die Fackel hoch. Tatsächlich war in etwa zehn Fuß Höhe etwas an der Höhlendecke, das einem Quadrat ähnelte , und man konnte sogar etwas erkennen, das an die Maserung von Holz erinnerte. Ob es sich wohl um eine Luke handelte ? Aber wie sollten sie dort hinaufkommen? Doch Rashid schien bereits eine Idee zu haben.
    »Ich brauche deine Hilfe, Anselmo«, sagte er und drückte Cosimo die Fackel in die Hand. Dann nahm er die schwere Tasche von den Schultern und stellte sie auf dem Höhlenboden ab. »Dort oben scheint eine Luke zu sein. Du musst mir aus deinen Händen eine Trittleiter machen, damit ich mich auf deine Schultern stellen kann. Glaubst du, du schaffst das?«
    Anselmo machte zwar keinen sonderlich begeisterten Eindruck , aber er nickte und bückte sich, während Rashid geschickt an ihm hochkletterte. Erneut wurde Anne angst und bange. Wenn nun Anselmo taumelte und Rashid sich nicht mehr halten konnte? Bei einem Sturz aus der Höhe würde er sich bestimmt alle Knochen brechen.
    »Es sind wirklich Bretter. Vielleicht ist es tatsächlich eine Luke. Mal sehen, ob ich sie aufstoßen kann.« Anne hörte ihn ächzen. »Nein, unmöglich. Aber dort ist ein Eisenring an einem der Bretter angebracht. Wenn ich mich etwas strecke, erreiche ich ihn und …«
    »Rashid!«, rief Anselmo kläglich unter Ächzen und Stöhnen. »Rashid, komm sofort herunter, ich kann nicht mehr!«
    »Nur noch einen Augenblick!«, rief Rashid. »Ich bin gleich so weit.«
    Anselmo begann bedrohlich hin und her zu wanken. Anne und Cosimo stürzten sofort zu ihm, um ihn zu stützen. Doch sie kamen zu spät. Mit einem Aufschrei kippte er zur Seite und fiel zu Boden. Anne blieb fast das Herz stehen. Aber Rashid gelang es gerade noch im letzten Augenblick, den Ring zu packen und sich daran festzuhalten.
    »Achtung, geht aus dem Weg!«, rief er. »Ich springe gleich ab und …«
    Genau in diesem Augenblick gab die Luke nach. Sie klappte nach unten auf, und Rashid wurde zur Seite geschleudert, prallte gegen die Felswand und
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