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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit
Autoren: Terry Pratchett
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»Muss er dort die ganze Zeit über eine Maske tra-
    gen? Und lässt du ihm die Mahlzeiten von einem taubstummen Wärter
    bringen?«
    »Äh… nein, ich glaube nicht«, sagte Lord Vetinari und lächelte. »Obgleich dies der richtige Stoff für eine gute Geschichte wäre. Nein, so-
    weit ich weiß, ist er Mitglied der Schauspielergilde geworden, obwohl es
    sicher Leute gibt, die ein dunkles Verlies einem solchen Schicksal vor-
    ziehen würden. Wie dem auch sei: Ihm steht bestimmt eine fröhliche
    Karriere bevor. Kindergeburtstage und so.«
    »Und dort spielt er… dich?«
    »Ja. Sehr lustig.«
    »Und wenn du irgendwelche langweiligen Pflichten zu erledigen hast
    oder für ein Ölgemälde sitzen musst, so könntest du auf seine Hilfe
    zurückgreifen?«, fragte William.
    »Hmm?«, erwiderte Vetinari. William hatte Mumms Miene für aus-
    druckslos gehalten, aber im Vergleich mit der Leere im Gesicht des
    Patriziers war sie ein einziges Lächeln gewesen. »Hast du noch irgend-
    welche Fragen, Herr de Worde?«
    »Bestimmt ergeben sich weitere«, sagte Wil iam und riss sich zusam-
    men. »Die Times wird die Angelegenheiten der Stadt aufmerksam im Auge behalten.«
    »Wie lobenswert«, sagte der Patrizier. »Du kannst mit meinem Sekre-
    tär Drumknott einen Termin vereinbaren, wenn du möchtest. Ich finde
    bestimmt Zeit für ein Interview.«
    Das richtige Wort an der richtigen Stelle, dachte William. So unange-
    nehm das Wissen auch sein mochte: Seine Vorfahren hatten immer zu
    den Ersten gehört, die sich bei einem Konflikt dem Gegner stellten. Bei
    jeder Belagerung, bei jedem Hinterhalt, bei jedem tollkühnen Angriff
    auf befestigte Stel ungen war ein de Worde losgeritten, um Ruhm zu
    erringen oder zu sterben – in manchen Fäl en war ihm beides gelungen.
    Für einen de Worde war kein Feind zu stark, keine Wunde zu tief und
    kein Schwert zu schwer. Es war auch kein Grab zu tief. Während der
    Instinkt mit seiner Zunge rang, spürte William, wie ihn seine Vorfahren
    nach vorn in den Kampf schoben. Vetinari spielte viel zu offensichtlich
    mit ihm. Na schön, sterben wir wenigstens für etwas Anständiges…
    Ruhm oder Tod, oder beides!
    »Wenn du ein Interview wünschst, Exzel enz, so ist die Times bereit, dir eins zu gewähren«, sagte er. »Vorausgesetzt wir haben genug Platz in
    der Zeitung.«
    Das Ausmaß der Hintergrundgeräusche wurde ihm erst klar, als diese
    verstummten. Drumknott schloss die Augen. Sacharissa blickte starr
    geradeaus. Die Zwerge standen wie Statuen.
    Schließlich beendete Lord Vetinari die Stille.
    »Die Times ? Damit meinst du dich selbst und die junge Frau hier?«, fragte er und wölbte die Brauen. »Oh, ich verstehe. Es ist wie mit der
    Öffentlichkeit. Nun, wenn ich der Times irgendwie helfen kann…«
    »Wir lassen uns auch nicht bestechen«, sagte William. Er wusste, dass
    er damit zwischen zugespitzten Pfählen ritt, aber er wol te sich auf kei-
    nen Fal von oben herab behandeln lassen.
    »Bestechen?«, wiederholte Vetinari. »Nachdem ich gesehen habe, wo-
    zu du ohne Entgelt fähig bist, vermeide ich es lieber, dir auch nur einen
    Cent in die Hand zu drücken, lieber Herr de Worde. Nein, ich biete dir
    nur Dankbarkeit an, die al erdings für ihre Kurzlebigkeit bekannt ist.
    Ah, da fäl t mir ein. Am kommenden Samstag gebe ich ein kleines Es-
    sen. Einige Gildenoberhäupter und Botschafter werden zugegen sein…
    Eine recht langweilige Angelegenheit, aber vielleicht möchtest du daran
    teilnehmen, und natürlich auch die so kühne junge Dame… Ich bitte
    um Verzeihung: Ich meine die Times .«
    »Ich glaube nicht, dass wir…«, begann William und unterbrach sich,
    weil ihn ein Schuh am Schienbein traf.
    »Die Times wäre entzückt«, sagte Sacharissa.
    »Ausgezeichnet. In dem Fall…«
    »Wenn ich dich um einen Gefal en bitten dürfte…«, warf William ein.
    Vetinari lächelte. »Natürlich. Wenn ich der Times irgendwie hel…«
    »Wirst du am Sonntag der Trauung von Paul Königs Tochter bei-
    wohnen?«
    William ließ sich seine Genugtuung nicht anmerken: Diesmal blieb
    Vetinaris Miene leer, weil er sie mit nichts fül en konnte. Drumknott
    beugte sich zu ihm vor und flüsterte.
    »Ah«, entgegnete der Patrizier. »Paul König. Ah, ja. Ein gutes Beispiel
    für den Unternehmungsgeist, der unsere Stadt zu dem gemacht hat, was
    sie heute ist. Habe ich das nicht immer gesagt, Drumknott?«
    »Ja, Herr.«
    »Ich werde natürlich anwesend sein. Vermutlich kommen auch viele
    andere
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