Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Voegel der Finsternis

Titel: Die Voegel der Finsternis
Autoren: Victoria Hanley
Vom Netzwerk:
Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte.
    Der Fahrgast wollte bis zu einem der ärmlicheren Plätze der Stadt gefahren werden. Jasper hielt an einem Haltepfosten und nahm gerade sein Geld entgegen, als ein Soldat auf ihn zukam. Mit einem Blick auf das Wams des
    Soldaten, das aus grauen und schwarzen Lederstreifen gefertigt war, erkannte Jasper, dass es sich um einen Zind handelte. Sofort ließ er seinen Kopf sinken und seinen Unterkiefer nach unten hängen. Den Trottel zu spielen war seiner Erfahrung nach die beste Verteidigung gegen Zinds, die Elitesöldner im Dienst des Kaisers. Ein großer Handschuh mit abwechselnd grauen und schwarzen Fingern, an denen ein eiserner Schlagring befestigt war, nahm Jasper die Zügel aus der Hand. „Absteigen", befahl der Soldat
    Zind! Die Freigeborenen nannten sie die Gestreiften. Nur Todesmutige wagten es, sich ihren Befehlen zu widersetzen. Der Gestreifte band die Zügel um den Pfosten, dann kletterte er auf den Wagen, drehte die zerschlissenen Sitze um und sah sich alles genau an, als hätte Jasper in der alten Kutsche etwas verborgen. Als er fertig war, drehte er sich zu Jasper um. „Hast du heute Nacht Fahrten gehabt?" „Aah." Jasper schielte auf die Pflastersteine, als ob er zu blöd wäre, richtig zu antworten. „Zeig mir deinen Brief."
    Jasper zog seinen kostbaren Freibrief hervor. Der Zind musterte ihn, dann gab er ihn zurück. „Und jetzt den Geldbeutel."
    Jasper reichte ihm den schäbigen Lederbeutel, der eine Hand voll Besaets enthielt. Sollte der Gestreifte ihn einstecken, würde Jasper ihn nicht davon abhalten, denn der Zind hatte eine kurzstielige, schwarze Axt und ein
    langes Messer dabei, wogegen Jasper nichts als seine bloßen Fäuste besaß.
    „Wir suchen nach zwei entlaufenen Sklaven", sagte der Zind und gab ihm den Geldbeutel zurück. „Wenn du eine junge Frau mit goldener Haut und goldenem Haar und einen Jungen mit frischen Schnitten im Gesicht siehst, melde dich bei einem Zind oder bei Lord Morlen. Die Belohnung ist zwei Delans." Lord Morlen! Aber der Zind trug die Farben des Kaisers! Jasper schielte zu dem Gesicht des Soldaten. Seine Narben waren, wie es sich gehörte: ein zweifacher Streifen von der Stirn bis zum Kinn und an den Schläfen das Wappen des Kaisers.
    „Lord Morlen?" Jaspers Schielen verstärkte sich, als seien Lords und ihre Namen Dinge, die über seinen Verstand gingen.
    „Die Ausreißer gehören ihm. Das Mädchen ist siebzehn, sie trägt ein blaues Seidenkleid und ist nicht gezeichnet."
    Jasper nickte und murmelte vor sich hin, als versuchte er, sich alles zu merken. Dabei starrte er auf die grauen Lederstiefel des Zind und betete, er möge verschwinden.
    Die Stiefel entfernten sich. Jasper schwang sich auf den Kutschkasten. Seine Gedanken waren hinter einem stieren Blick verborgen. Eine junge Frau mit goldener Haut und goldenem Haar in einem blauen Kleid, und ein Junge mit frischen Schnitten. Entlaufene Sklaven! Aber warum hatte
    sie dann wie eine Hochgeborene gesprochen und woher hatte sie dieses Kleid?
    Eine Sklavin. Das erklärte manches: ihre bloßen Füße und die fürsorgliche Art, wie sie den Jungen behandelte. Und sie kannte auch nicht den Wert eines Delans. Eine Sklavin kannte sich mit Geld nur dann aus, wenn sie Oberin war, und Jasper hätte seinen letzten Besaet darauf gewettet, dass das Mädchen in dem blauen Kleid keine Oberin war.
    Warum wollte sie in die Wälder von Lord Hering? Ausreißer hatten sonst immer Mantedi zum Ziel, den einzigen Hafen von Sliviia, wo alle Schiffe, von der Handelsflotte bis zur kaiserlichen Marine, ihren Liegeplatz hatten. Wenn man Sliviia verlassen wollte, musste man nach Mantedi.
    Während die Kutsche durch die engen Straßen ratterte, kehrten Jaspers Gedanken immer wieder zu dem Mädchen in dem blauen Kleid zurück. Er sah sie vor sich, wie sie auf dem Erdboden stand und ihm sagte, er solle das Goldstück behalten. „Ich will nicht zurück." Kein Wunder, wenn sie Lord Morlen gehörte und die Gestreiften nach ihr suchten ... Jasper schauderte. Er fuhr zum alten Thom, der ihn schon mit einem Bündel Heu und Wasser für das Pferd erwartete. Jasper gab ihm das ganze Fahrgeld seines letzten Gasts. Den Delan hatte er noch nicht wechseln können, dafür musste er zu Farley gehen. „Thom, hast du gehört, dass Lord Morlen Gestreifte für sich arbeiten lässt?"
    Thom grunzte und verscheuchte eine Fliege von seinen schmalen Schultern. „Bist du ihnen begegnet? Hier waren sie auch und haben die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher