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Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Emma Campion
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erschrak, als seine warme Hand unvermittelt die meine ergriff. Er schaute mir in die Augen, als sei ich der einzige Mensch im ganzen Kirchenschiff, beugte sich über meine Hand und strich mit seinen Lippen darüber. Ich fühlte mich bis in die Fingerspitzen erröten. Es verschlug mir die Sprache, und ich starrte ihn nur an, wie er sich noch einmal vor meinen Eltern verbeugte und dann in der Menge verschwand.
    »Was hat er heute Morgen hier zu suchen?«, zischte Mutter in Vaters Richtung. Ihr Kopf bebte auf ihrem schlanken Hals.
    »Er betet hier gelegentlich, Margery, das weißt du doch.«
    »Das ist doch schon lange her.«
    »Da hast du Recht. Aber wir trafen uns gestern und sind einander wieder durchaus gewogen.«
    »Um Gottes willen, wenn du planst, was ich glaube, das du planst, dann werde ich ihr eher den Hals umdrehen, als zuzulassen, dass sie ihn heiratet.«
    Jetzt war ich mir der Blicke vollends bewusst, die uns folgten, hätte aber nicht sagen können, ob sich das Interesse auf mich richtete oder auf Mutter. Ihr bleiches Gesicht war mit
unvorteilhaften roten Flecken der Erregung überzogen, und sie hielt ihren Kopf so starr, dass ihr Schleier wie der zarte Flügel eines Insekts zitterte.
    Sie würde mir eher den Hals umdrehen, als mich Janyn Perrers heiraten lassen? Das konnte sie unmöglich so gemeint haben. Auf keinen Fall. Die Ahnung, dass Vater sich überhaupt nicht mit ihr besprochen hatte, bereitete mir Unbehagen.
    Nach der Messe blieben die Chaucers kurz bei uns stehen, um meine Familie zu grüßen, und Geoffrey sagte, er hätte nie gedacht, dass ich so hübsch sein könnte wie an diesem Morgen. Ich versuchte über sein wirres Kompliment zu lachen, brachte aber nur ein schwaches Lächeln zustande.
    »Du wirkst verängstigt«, sagte er. »Fürchtest du dich?«
    »Dieser Tag nimmt nicht den Verlauf, den ich mir erträumt hatte«, erwiderte ich und ärgerte mich über die Tränen, die mir in die Augen stiegen.
    »So geht das aber nicht«, erklärte Geoffrey und schenkte mir einen höchst mitfühlenden Blick. »Heb den Kopf und sieh den anderen Mitgliedern deiner Gemeinde offen in die Augen. Es gibt keinen unter ihnen, der sich deiner nicht glücklich schätzen müsste.« Er seufzte, als ihn die Stimme seiner Mutter unterbrach und fortrief. »Sie hat Angst, wir könnten uns über sie hinwegsetzen und ein Eheversprechen ablegen.«
    Nun begrüßten uns auch andere Familien mit infrage kommenden jungen Männern, und stolz stellte Vater mich jedem Einzelnen von ihnen vor. Viele der jungen Männer kannte ich bereits, allerdings verhielten sie sich heute mir gegenüber deutlich anders als in der Vergangenheit.
     
    Eine warme Mittagssonne in tiefem Herbstgold hatte den Nebel aufgelöst, als meine Familie und ich hinaus auf den
Kirchenvorplatz traten. Die plötzliche Helligkeit blendete mich, und ich stolperte auf den niedrigen Stufen, die vom Eingang hinabführten. Jemand mit starken Armen und einem dennoch feinfühligen Griff fing mich auf und half mir wieder auf die Beine.
    »Gott segne Euch«, sagte ich ein wenig atemlos, während ich mit einer Hand mein Kleid richtete und mit der anderen die Augen abschirmte. Jetzt erst bemerkte ich, dass mein Retter Janyn Perrers gewesen war.
    Ich bezweifle jedoch, dass er mich hörte, denn Mutter hatte ihn bereits zur Seite gezogen und wies ihn in wütendem Flüsterton zurecht. Aus Angst vor ihrer Reaktion wagte ich es nicht, zu seiner Verteidigung einzugreifen.
    Vater raunte Nan etwas zu, woraufhin diese ihre vier Schäfchen zusammenrief und rasch über den Platz zu unserem Haus trieb.
    John stieß einen tiefen Seufzer aus, als wir in die Wohnhalle traten. »Was auch immer Mutters Unwillen erregte, den restlichen Tag wird sie jedenfalls äußerst gereizt sein.«
    Will wollte schon in Richtung Gartentür verschwinden, aber Nan hielt ihn fest und ordnete seine wirre Frisur.
    »Wir wollen hier in aller Ruhe auf Eure Eltern warten«, sagte sie.
    Mary kämpfte mit den Tränen. »Warum ist Mutter denn so wütend?«
    Ich umarmte sie und versicherte ihr, dass es sich bestimmt um ein Missverständnis handele.
    Bei ihrem Eintreffen zischten Mutter und Vater einander noch immer mit vor Erregung hochroten Köpfen an. Kaum waren sie drinnen, packte Vater Mutters Ellbogen und zog sie unsanft zu sich heran, um das letzte Wort zu haben. Sie riss ihren Arm los, raffte ihre Röcke und stürmte wieder hinaus.
Ich konnte hören, wie sie draußen die Treppe zu ihrer privaten Kammer
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