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Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Emma Campion
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sie meine Reaktion freute.
    Als ich in die Wohnhalle trat, unterbrach mein Bruder John sein Herumlaufen, um mich anzusehen. Dann senkte er den Blick und ließ den Kopf von einer Seite zur anderen wandern, als würde er auf dem Boden nach etwas suchen.
    »Was ist?«, fragte ich.
    Er sah wieder auf. Sein Blick fiel erst auf mein inzwischen errötetes Gesicht, dann auf meinen Hals und Nacken, die weitgehend unbekleidet waren.
    »Ich erkenne dich kaum, so angezogen«, murmelte er und wandte sich zu Vater, der zu uns getreten war.
    »Um Himmels willen, Alice, kau nicht so auf deiner Lippe herum.« Vater zog mich auf die Seite. »Du hast keinerlei Grund, dir Sorgen zu machen. Dies ist der Tag, an dem du dich deiner Jugend und Schönheit erfreuen sollst, ja?« Er nahm eine meiner Hände, beugte sich hinab und küsste sie, bevor er ein Stück zurücktrat, um mich aufmerksam zu mustern. »Grundgütiger Himmel«, entfuhr es ihm leise. Er lächelte nicht, aber seine Miene verfinsterte sich auch nicht.
    »Sehe ich schön aus, Vater?«, fragte ich, verwirrt über seinen Gesichtsausdruck.
    »Das tust du gewiss. Deine Mutter wird heute stolz auf dich sein. Wir alle werden stolz auf dich sein.«
    »Werdet Ihr mir denn jetzt sagen, wer mich heute beim Beten am genausten beobachten wird, Vater? Ich weiß, dass Ihr mit jemandem gesprochen habt.«
    Er nahm den Hut ab und betupfte seine Stirn, die trotz
der Kühle in der Halle schweißnass war. »Du wirst ihn noch früh genug sehen, Alice, noch früh genug. Tritt bescheiden auf und lächele allen nett zu, die dich grüßen. Es ist immer von Vorteil, noch ein paar Anwärter in Reserve zu haben, he?«
    Er hob die Hand, um mir auf die Schulter zu klopfen, wie es seine Gepflogenheit war, änderte aber plötzlich seine Absicht und ließ sie wieder sinken. Ich erkannte, dass es ihm wie John erging und ich ihm verändert und irgendwie unnahbar erschien. Ich fühlte mich fiebrig, mir wurde übel, und am liebsten wäre ich weggelaufen.
    Aber Mutter war gerade von ihrer privaten Kammer in die Halle heruntergekommen. Sie blieb in einer solch würdevollen und gebieterischen Haltung in der Tür stehen, dass ich mir vorkam wie meine fünfjährige Schwester Mary, schmutzig und hoffnungslos unterlegen.
    »Geh auf mich zu«, befahl Mutter.
    Ich gehorchte zitternd unter ihrem unerbittlich prüfenden Blick.
    »Dreh dich.«
    Wieder folgte ich wie eine Marionette, die sie aus der Ferne steuerte.
    Sie seufzte. »Wir haben keine Zeit mehr, viel Aufhebens zu machen. Für Korrekturen ist es zu spät.«
    »Margery, was redest du da? Alice sieht wundervoll aus«, widersprach Vater.
    »In deinen Augen«, erklärte Mutter und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Ich kann nur hoffen, das von dir auserwählte Opfer sieht das ähnlich.«
    War es denn möglich, dass sie hinsichtlich Vaters Plänen ebenso im Dunkeln tappte wie ich?
    »Kommt, John, Will. Wo steckt Nan? Hat sie Mary noch immer nicht fertig angezogen?«
    Mutter sah nicht mehr in meine Richtung. Ich stand mitten in der Halle und fühlte mich beschämt und ausgestoßen. Es war Nan, die gute Nan, die den Tag für mich rettete.
    Sie legte Marys furchige Hand in meine und sagte: »Erzählt Eurer Schwester, was Ihr mir eben erzählt habt, Mary.«
    Als ich in die weit aufgerissenen Augen meiner kleinen Schwester blickte, erkannte ich darin Liebe, Bewunderung und all jene Gefühle, die ich in den Augen Johns und meiner Eltern zu sehen gehofft hatte.
    »Du bist so wunderschön«, erklärte Mary. »Wenn ich groß bin, will ich genauso aussehen wie du.«
    Am liebsten hätte ich mich hinabgebeugt und das süße Kind an mein Herz gepresst, ich bezwang den Drang jedoch und gab mich mit einem Küsschen auf ihre vorübergehend saubere Wange und einem dankbaren Drücken ihrer Hand zufrieden.
    »Würdet Ihr mich zur Kirche begleiten, verehrte Lady Mary? «, fragte ich und das Herz schmolz mir dahin, als ich die Freude in ihren Augen sah.
    »Ihr seid schön wie der junge Frühlingsmorgen«, flüsterte Nan. »Eure Mutter mag es nicht, überstrahlt zu werden, während Euer Vater nur erkannt hat, dass seine Tochter sein Haus demnächst verlassen wird. Verübelt ihnen nicht diese schlichten Empfindungen, Alice.«
    Also entspannte ich mich und bemerkte erneut, wie weich der Scharlachstoff sich auf meiner Haut anfühlte, wie er sich mit einer solch fließenden Leichtigkeit meinen Bewegungen anpasste, dass ich mir richtig elegant vorkam.
    Ich beugte mich zu Mary. »Halt den Kopf
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