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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung
Autoren: David Baldacci
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führen.
    Sorgfältig tupfte er sich die Stirn mit einem Taschentuch ab und zupfte die Manschetten zurecht. Dann glättete er eine kaum sichtbar verrutschte Strähne der gepflegten Perücke aus synthetischem Haar. Sein echtes Haar wurde von einer straffen Kappe aus Latex an den Kopf gepreßt.
    Er öffnete die Tür zu dem kleinen Raum, den er im Einkaufszentrum gemietet hatte, und trat ein. Alles war sauber und ordentlich. Eigentlich zu ordentlich, dachte er plötzlich, als er das Innere betrachtete. Es sah nicht so aus, als würde hier tatsächlich gearbeitet.
    Die Empfangsdame saß hinter dem billigen Metallschreibtisch und blickte zu ihm auf. Gemäß den zuvor von Jackson erteilten Anweisungen machte sie gar nicht erst den Versuch, ihn anzusprechen. Sie hatte keine Ahnung, wer er war oder weshalb sie hier war. Sobald Jacksons Gesprächspartner eintraf, sollte die Frau verschwinden. Kurz darauf würde sie in einem Bus sitzen und die Stadt verlassen, mit einer großzügigen Entlohnung für ihren minimalen Arbeitsaufwand. Jackson würdigte die Frau keines Blickes. Sie war lediglich eine Kulisse in seiner neuesten Aufführung.
    Das Telefon stand schweigend vor ihr, die Schreibmaschine daneben sah unbenutzt aus. Ja, alles zu steril, dachte Jackson. Er sah einen Stapel Papiere auf dem Schreibtisch vor der Empfangsdame. Mit raschen Bewegungen breitete er einige Blätter auf der Schreibtischplatte aus. Dann verschob er das Telefon ein bißchen und spannte ein Blatt Papier in die Maschine, indem er ein paarmal den ratschenden Drehknopf betätigte.
    Jackson betrachtete sein Werk und seufzte. Man konnte nicht an alles gleichzeitig denken.
    Er ging durch die kleine Rezeption nach hinten, bog nach rechts ab und öffnete die Tür zu dem winzigen Büro. Er setzte sich hinter den verkratzten Holzschreibtisch. Von dem kleinen Fernseher in der Ecke des Zimmers starrte ihm der leere Bildschirm entgegen.
    Jackson nahm eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche und steckte sich eine an. Dann lehnte er sich im Stuhl zurück und versuchte sich trotz des ständigen Adrenalinausstoßes zu entspannen. Er strich sich über den dünnen dunklen, ebenfalls künstlichen Schnurrbart. Die synthetischen Fasern waren auf einen Streifen feinster Gaze geknüpft und mit einem Hauch Gummi auf die Haut geklebt. Auch Jacksons Nase war verändert. Mit Hilfe von Plastikmasse hatte er aus seiner schmalen, geraden Nase einen dicklichen Riechkolben geschaffen. Das Muttermal neben der Nasenwurzel war ebenfalls eine Fälschung: eine Mischung aus Gelatine und Luzernensamen, in heißem Wasser aufgelöst. Acrylkronen bedeckten seine geraden Zähne, so daß sie unregelmäßig und ungepflegt aussahen. Selbst ein zufälliger Beobachter würde sich an all diese vorgetäuschten Merkmale erinnern. Waren sie erst entfernt, löste Jackson sich buchstäblich in Luft auf. Was mehr konnte jemand sich wünschen, der voll und ganz in illegalen Geschäften verstrickt war?
    Und bald – wenn diese Sache hier nach Plan lief – würde alles von neuem beginnen. Jedesmal war es ein bißchen anders, aber das war ja das Spannende: das Nicht-Wissen. Jackson schaute auf die Uhr. Ja, sehr bald. Er erwartete ein äußerst produktives Gespräch, das für beide Seiten vorteilhaft verlaufen würde.
    Jackson mußte LuAnn Tyler nur eine Frage stellen. Eine einfache Frage, deren Beantwortung jedoch sehr komplexe und weitreichende Auswirkungen haben konnte. Aufgrund seiner Erfahrung war Jackson sich der Antwort gewiß, aber man wußte ja nie. Er hoffte inständig – um der Frau willen –, daß sie die richtige geben würde. Denn es gab nur eine einzige »richtige« Antwort.
    Und was, wenn sie nein sagte? Nun, dann würde das Baby nie Gelegenheit haben, die Mutter kennenzulernen, weil es dann zur Waise würde.
    Jackson schmetterte die Hand auf die Schreibtischplatte. Die Frau würde ja sagen. Alle anderen hatten es auch getan. Er schüttelte heftig den Kopf, als er alles noch einmal überdachte. Er würde ihr die Sache klarmachen, würde sie von der unausweichlichen Logik überzeugen, daß sie sich mit ihm zusammentun mußte. Er würde ihr erklären, auf welche Weise sich alles für sie verändern würde. Mehr als sie sich vorstellen konnte. Mehr als sie sich jemals erhoffen durfte. Wie konnte sie da nein sagen? Es war ein Angebot, das niemand ausschlagen konnte.
    Falls sie kam. Jackson rieb sich mit dem Handrücken die Wange und nahm einen tiefen Zug an der Zigarette. Dann starrte er abwesend
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