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Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)

Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)

Titel: Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
Autoren: Catrin Alpach
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eingefallen: »Rhabarber – pikant und gesund«. Da grinst sogar die Katze.
    Ja, ich muss es akzeptieren: Heute ist nicht mein Tag. Nach und nach tröpfeln die Kolleginnen und Kollegen ein, um mir zu gratulieren. Dabei wollen sie nur ein Stück Torte abstauben. Sogar Milkers opfert zwei Minuten seiner wertvollen Zeit (er muss schließlich die Zeitschrift, den Journalismus und die Demokratie retten!) und drückt mir unter einem motivierenden »Weiter so!« einen Blumenstrauß in die Hand. Ella holt eine Vase, wir arrangieren die Blumen darin, stellen die Vase neben die schon bedenklich reduzierte Torte. Das war's dann also. Zehn Jahre Diäten, ein Kuchen, der bald keiner mehr sein wird, ein paar Blümchen, die langsam zu welken beginnen.
    Ich muss hier raus. Selten hat mich dieses Gefühl so sehr bedrängt, mir ist, als schnüre mir etwas die Luft ab. Es ist halb zwei, die Mittagspause vorbei – gut so. Dann werde ich das Café Meier gegenüber fast für mich alleine haben, keine Kolleginnen vor Kuchenbergen und Pizzen, dafür ich allein mit meinen Gedanken und einer Zumutung von Salat mit garantiert fettarmem Dressing. Auch nicht schön, aber besser als das hier.
    Ich bedenke die Tortenreste mit einem Abschiedsblick. Adieu, du ungesunde, unvernünftige, fette Versuchung, adieu, du Traum meiner sündigen Nächte. Wenn ich wiederkomme, wirst du vom Erdboden verschwunden sein.

Das Schicksal zählt keine Kalorien

    Ich habe Recht behalten: Das Café Meier ist leer bis auf eine hagere Frau in der Ecke, die gerade herzhaft in ein belegtes Brötchen beißt, als ich reinkomme und meinen Stammplatz am Fenster ansteuere. Die Angestellten aus den umliegenden Büros sind schon gegangen, die älteren Damen noch nicht eingetroffen, um sich bei ihren Kaffeekränzchen lautstark auszutauschen. Elvira, die Bedienung, schlurft müde herbei, dreißig Arbeitsjahre haben sie plattfüßig werden lassen, ich öffne den Mund, um meinen täglichen Salat zu bestellen, aber Elvira winkt ab und sagt: »Salat, alles klar.« Ich nicke, als hätte sie »Gleich geht’s zum Galgen« gesagt.
    Ja, ich bin dumm, ich weiß das selber! Keine Diät der Welt wird mein Bindegewebe dazu überreden können, doch bitte schön nicht zu erschlaffen. Kein Idealgewicht mich davor bewahren, dass die Fettpölsterchen durch faltige Haut ersetzt werden. Wie wird das enden? Mit einem Botoxdepot hinter der Stirnhaut, ein paar routinierten Chirurgenschnitten in mein Fleisch, immer weiteren Kleidern, die mir wenigstens die Illusion lassen, den Hauch einer Taille haben zu können. Und für wen das alles? Für die anderen. Für Männer, die mich nicht begehren und die ich nicht mehr begehre, für Frauen, die neidisch werden und ein schlechtes Gewissen haben sollen. Irre.
    Elvira serviert den Salat. Er sieht aus wie immer: liebevoll zubereitet – und trostlos. Grüne Blätter über einem Häufchen Mais und drei versprengten Erbsen, ein Stück Tomate versteckt sich unter einem halben Ei, das mir warnend »Vorsicht, ich bin eine Cholesterinbombe!« entgegen schreit. Zu spät. Ich ersteche es mit der Gabel und stecke es in den Mund, kaue langsam.
    Die hagere Frau hat inzwischen ihr Brötchen aufgegessen und spült mit Cappuccino nach. Cappuccino! Geschäumte Milch! Zucker! Na, sie kann es sich leisten, dafür hat sie weniger Busen als ich. Sie winkt Elvira zu sich, die setzt ihre Plattfüße in Bewegung. Ob ich mir auch eine Arbeit suchen sollte, bei der ich den ganzen Tag auf den Beinen bin? Lenk nicht ab, Paula. Was dir fehlt, ist Sport. Dabei bin ich stolze Besitzerin eines Abonnements im angesagtesten Fitnessstudio der Stadt! Ich weiß auch, wie man hinkommt, aber ich war schon lange nicht mehr dort. Einen deprimierenderen Ort kann ich mir nicht vorstellen. Sollten Fitnessstudios nicht dazu da sein, Menschen fit zu machen? Unter ihrem Gewicht ächzende arme Menschen wie mich? Sollten sie. Und wer lungert dort stattdessen rum? Junge Dinger mit Modelmaßen, muskelbepackte Typen, die auf junge Dinger mit Modelmaßen stehen, die ihrerseits auf muskelbepackte Typen stehen, die auf... und so weiter. Ein Teufelskreis.
    Elvira und die Hagere reden leise miteinander. Schaut die Hagere nicht zu mir rüber? Reden die etwa über mich? Über das arme Hascherl, das lustlos in seinem Salat blättert und gerade überlegt, ob es mal so richtig über die Stränge schlagen und die Scheibe Weißbrot verlangen soll, die eigentlich zum Salat gehört? Elvira lässt sie seit Jahren automatisch
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