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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie
Autoren: James A. Owen
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Schweiz. Im Januar 1871 ließ sich Wilhelm I. von Preußen in Versailles zum Kaiser ausrufen. Und Bismarck war sich sehr wohl bewusst, dass dieses Ereignis ohne Ludwigs Zustimmung nicht möglich gewesen wäre. Ludwigs Bruder, Prinz Otto, vertrat Bayern bei der Zeremonie in Versailles. Es sollte Ottos letzte öffentliche Amtshandlung sein, obwohl es sogar Gerüchte gegeben hatte, dass Ludwig sich mit dem Gedanken trug, zugunsten seines Bruders abzudanken.«
    »Das ist richtig«, sagte Maddox, »und es gab mehrere Gründe dafür. Ludwig wusste, dass Otto einen Thronfolger stellen konnte, und dazu wäre Ludwig mit seinen unglücklichen und oberflächlichen Liebesaffären vermutlich nie in der Lage gewesen. Außerdem ärgerte ihn die gesamte politische Lage der damaligen Zeit und er hatte das Regieren offen gestanden satt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er am liebsten den Rest seines Lebens gemeinsam mit Wagner neue Opern geschaffen.«
    »Allerdings«, warf Galen ein, »war das noch vor seinem geistigen Zusammenbruch.«
    »Richtig.«
     

     
    »Im Frühjahr 1871 machte sich Ludwig zunehmend Sorgen über das seltsame Verhalten seines Bruders«, fuhr Galen fort. »Otto hatte jeden Sinn für Körperhygiene verloren und verwahrloste immer mehr. Er benahm sich wie ein Verrückter, schnitt Grimassen, bellte wie ein Hund und sagte zuweilen die unschicklichsten Dinge. Dann gab es wieder Zeiten, in denen er völlig normal war. Der Hofarzt untersuchte ihn und verordnete ihm Ruhe. Ottos geistige Gesundheit verschlechterte sich dennoch rapide. Im Winter wurde er krank, und auf den Rat seines Arztes hin brachte man ihn am 26. Februar in ein Krankenhaus und überließ ihn der Pflege der dortigen Ärzte. Der damalige Hofarzt starb am 31. Mai desselben Jahres und die medizinische Betreuung übernahm ein Doktor van Gudden.«
    »Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht«, sagte Maddox, »aber ich habe wirklich genug über Ärzte gehört.«
    »Darin«, sagte Juda, »sind wir einer Meinung.«
    »Die königliche Familie verbrachte den Sommer 1873 in ihrem Sommerpalast und nahm Otto mit sich. Erst da wurde der Königinmutter die schreckliche Tatsache bewusst, dass einer ihrer Söhne hoffnungslos verrückt war und der andere ebenfalls nicht ganz normal.«
    »Welcher von beiden war was?«, fragte Marisa.
    »Schwer zu sagen«, erwiderte Galen. »Man brachte Otto nach Fürstenried, wo er gemeinsam mit Ludwig in seiner Jugend viele glückliche Tage verlebt hatte. Dort blieb er den Rest seines Lebens unter medizinischer Betreuung, bis er 1916 starb.«
    »Damit war er von der Bildfläche verschwunden«, sagte Maddox, »und stellte keine Bedrohung mehr für Ludwigs Thron dar.«
    »Richtig«, sagte Galen. »Ludwig hegte seit langem die Befürchtung, er könne selbst den Verstand verlieren, gab sich jedoch alle Mühe, die Regierungsgeschäfte am Laufen zu halten. Er war zutiefst verschuldet, denn er hatte sich mit seinen umfangreichen Bauvorhaben stark übernommen. Er versuchte noch mehr Anleihen aufzunehmen, doch diese bereiteten ihm immer stärkere Sorgen. Der einzige Lichtblick war die Eröffnung von Wagners Theater in Bayreuth, bei der Kaiser Wilhelm I., Ludwig und viele andere Vertreter des europäischen Adels zugegen waren. Zum ersten Mal wurde der Ring des Nibelungen in seiner Gesamtheit aufgeführt. Ludwig wohnte in der Ermitage in Bayreuth, dem schönen barocken Palast, den Friedrich der Große für seine Lieblingsschwester Wilhelmine hatte erbauen lassen. Zwei Wochen später kehrte er unter falschem Namen nach Bayreuth zurück, um Wagner in seinem neuen Wohnsitz zu besuchen: der Villa Wahnfried. Im Januar 1881 sahen sich der König und Wagner gemeinsam die Oper Lohengrin an und verspeisten ein üppiges Abendmahl. Das war das letzte Mal, dass die beiden Freunde einander begegnen sollten, und kurze Zeit später wurde auch die Frage nach Ludwigs Wahnsinn endgültig beantwortet. Der Tod Richard Wagners gab ihm den Rest.«
     

     
    »Wagner war mit Cosima nach Venedig gezogen«, fuhr Galen fort, »obwohl er schon seit einer Weile bei schlechter Gesundheit gewesen war. Am 13. Februar 1883 starb er überraschend an einem Herzanfall am Schreibtisch in seiner Wohnung am Palazzo Vendramin-Calenzi über dem Canale Grande. Seine Frau versank in tiefe Trauer, und als die Nachricht König Ludwig erreichte, wurde auch er von Kummer überwältigt. Man brachte Wagners Sarg von Italien nach Bayreuth. Nach dem feierlichen Begräbnis kehrte Ludwig heimlich
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