Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verratene Nacht

Die verratene Nacht

Titel: Die verratene Nacht
Autoren: Colleen Gleason , Joss Ware
Vom Netzwerk:
starrte er zum Fenster raus, nur in der Lage dort den schwarzen, mit unzähligen Sternen bestückten Himmel zu sehen. In der Ferne konnte er ein paar ungelenke Schatten mit orangenen Augen erkennen, die verloren herumtorkelten, auf der anderen Seite der sicheren Mauer, die das Areal hier umgab. Zombie-ähnliche Ganga auf der Suche nach einem Mann namens Remington Truth.
    Und irgendwo da draußen, jenseits davon, meilenweit weg, war Envy. Und Sage.
    Mit Simon.
    Theos Mund verzog sich bitter, wurde zu einem Strich, hier im Dunkeln, wo es keine Zeugen für seine Schwäche gab. Das Herz tat ihm weh. War leer. Warum nicht ich?
    Und was jetzt? Es würde noch lange dauern, bis er es ertragen könnte, sie mit jemand anderem zusammen zu sehen.
    Von jenseits der sanft wehenden Tuch-Wände hörte Theo das leise Murmeln von einem seiner Mitpatienten, gefolgt vom leisen Rascheln von Bettdecken. Jemand murmelte zur Erwiderung, leise und besänftigend, und er fragte sich, ob das wohl die Todeslady war, die etwas zu einem ihrer Schützlinge summte. Was genau tat sie denn, außer ihnen die Hand zu halten und ihnen einen Joint anzubieten?
    Was für ein deprimierender Job. Leuten beim Sterben zuzusehen. Sein Mund wurde noch schmäler.
    Er hatte in seinem Leben schon genug Leid und Tod gesehen. Mehr als die meisten Leute aus seiner Generation je erwartet hätten zu sehen. Und er hatte es oft genug in seinen Träumen und Erinnerungen wieder durchleben müssen, so dass er sich nicht vorstellen konnte, dem jeden Tag aufs Neue entgegenzutreten.
    Und doch ... hatte jene Frau, jene Todeslady, eine friedvolle Aura um sich, schien sich nicht gegen Unabänderliches aufzulehnen.
    Außer dass sie ihm noch einmal die Tasse mit Brühe nachgefüllt und angeboten hatte, zusammen mit einer Scheibe von dickem Schwarzbrot, war Selena nicht mehr aufgetaucht – zumindest nicht in Theos abgetrenntem Raum. Aber ihre Freundin, die ältere, etwas rundliche Frau, die Vonnie hieß, war mehrmals bei ihm vorbeigekommen, bevor es dunkel geworden war und die Lichter abgedreht wurden. Sie hatte ihm dabei geholfen, sich zu waschen und es sich gemütlich zu machen, während sie die ganze Zeit drauflos redete, über ... nun, so schlicht alles. Aus seiner Sicht der Dinge schien sie ihm viel zu munter und tatkräftig, um die ganze Zeit bei sterbenden Leuten abzuhängen. Wohlwissend, dass es nichts mehr gab, was man für sie tun konnte, außer ihrem Schmerz und ihrer Gebrechlichkeit zuzusehen.
    Irgendwo in dem endlosen Geplauder machte Vonnie mehrmals darauf aufmerksam, dass noch nie zuvor einer von Selenas Patienten sich wieder erholt hatte, so wie Theo, was ihn zu seinen eigenen miesepetrigen, mürrischen Gedanken führte: Warum hatte sie denn dann ausgerechnet jetzt ihrer Erfolgsbilanz einen Knick verpasst?
    Und wer zum Teufel hatte es eingerichtet, dass man ihn ein zweites Mal von den Toten wieder auferstehen ließ? Reichte einmal denn nicht?
    Theo seufzte und starrte an die Decke. Okay, er war also wieder an dem Punkt. Hätte tot sein sollen, wieder ins Leben zurückgeholt. Aber wozu? Warum ich?
    Hölle nochmal, diese Frage hatte er sich die letzten fünfzig Jahre gestellt und er hatte noch keine Antwort drauf bekommen. Er hatte nach dem Warum gesucht, nach dem Grund, warum er verändert worden war – oder nicht – und dem Zweck. Und er war durchs Leben gegangen, hatte geschaut und darauf gewartet, dass irgendein großes Ereignis ihm die Frage beantwortete.
    Nichts. Nur Tage um Tage und Jahre um Jahre, in denen er versucht hatte das Grauen zu überwinden, alles zu verlieren, was er je gekannt hatte, bis auf Lou.
    Lou.
    Verdammt.
    Sein Zwilling war wahrscheinlich schon mehr als krank vor Sorge. Und Theo hatte kaum einen Gedanken an ihn verschwendet, wegen dem Totsein und so.
    Aber es war ja nicht, als wäre er dem Tod nicht schon einmal von der Schippe gesprungen. Lou sagte, Theo hätte mehr Leben als eine Katze, und das war sogar schon vor dem Wechsel gewesen. Und seither ... nun, es lag gerade mal einen Monat zurück, da war er mit Elliott zusammen in einer alten Shopping Mall in einen Ganga Hinterhalt geraten. Und das war nur sein jüngster Zusammenprall mit dem Sensenmann – den hier jetzt mal ausgenommen.
    Er hatte wirklich versucht seine draufgängerische Ader etwas im Zaum zu halten, seinen Hang zum Abenteuer, in der Hoffnung, dass er und Sage ein Paar würden. Sie war ruhig und wissbegierig und schüchtern, und er hatte sie nicht einschüchtern oder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher