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Die verlorene Koenigin

Die verlorene Koenigin

Titel: Die verlorene Koenigin
Autoren: Frewin Jones
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Kent umgezogen war, ging er im Alter von zehn Jahren bei einem Londoner Chemiker in die Lehre. Durch intensives Selbststudium erwarb er umfassende wissenschaftliche und chemische Kenntnisse. Er besuchte Vorträge der berühmtesten Wissenschaftler seiner Zeit. Einige der bedeutendsten Theorien basieren auf Llewellyns Experimente n …« Tania wandte sich an Sancha. »Da steht eine Menge über seine Forschungen, aber eigentlich möchte ich ja mehr über seine Familie herauskriegen.« Sie scrollte hinunter, übersprang die Skizzen verschiedener wissenschaftlicher Apparaturen sowie die Kästchen, die komplizierte chemische Formeln enthielten.
    »Da!«, rief sie aus. »Das sind sie.« Die Schwestern starrten auf das Familienporträt. Wieder wirkten die Menschen sehr steif und förmlich auf dem Bild. Tania erkannte alle Familienmitglieder; für das Foto hatten sie offenbar ihre Sonntagskleider angezogen und sich vor einem gemalten Prospekt mit Wiesen und Bäumen aufgestellt. Ernest hatte eine Hand am Revers seines Gehrocks, die andere lag auf der Schulter seiner Frau, die mit einem Baby auf dem Schoß vor ihm saß. Der älteste Sohn stand vor seinem Vater. Es war der Junge, den Tania mit dem schlafenden Kleinkind auf den Knien auf der Couch gesehen hatte. Auf der anderen Seite der Mutter standen zwei jüngere Kinder, das waren der Junge und das Mädchen, die vor dem Kamin gelegen hatten.
    Zu Füßen ihrer Mutter saß die kleine Flora Llewellyn im Schneidersitz; sie schien in einem Meer aus weißer Spitze zu verschwinden. Sie hatte die Hände in den Schoß gelegt und blickte gebannt in die Kamera, ihr verschmitztes Gesicht war voller Leben und Neugier.
    Tania fand es seltsam, Flora als Fremde zu betrachten und gleichzeitig zu wissen, wie es sich angefühlt hatte, in ihrem quirligen Körper zu stecken.
    »Ja, genauso haben sie ausgesehen«, murmelte sie.
    »Tania?« Sanchas Stimme klang mit einem Mal gedämpft. »Hast du die Worte unter dem Bild gelesen?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Lies!«, drängte Sancha. »Es geht um das Schicksal der Familie.«
    Sanchas Stimme hörte sich so ungeduldig an, dass Tania sich beeilte, die Bildunterschrift zu entziffern.
    Diese Fotografie aus dem Studio Laporte & Hudson im Juli 1869 zeigt die Llewellyn-Familie: Ernest, seine Frau Charlotte, ihren ältesten Sohn George, die Zwillinge Arthur und Dorothy, die jüngste Tochter Flora und das Baby Henry. Dies ist die letzte Aufnahme der Familie, bevor sie bei einem tragischen Hausbrand ums Leben kam. Man vermutet, dass das Feuer spätnachts in Ernests Labor unter dem Dach ausbrach und die Flammen sich so schnell ausbreiteten, dass die Llewellyns nicht rechtzeitig erwachten, um noch fliehen zu können.
    Tanias Herz wurde schwer.
    Nein! Sie konnten nicht gestorben sein. Nicht so.
    »Du wusstest doch, dass sie als Kind gestorben sein musste«, erinnerte sie Sancha sanft. »Weißt du nicht mehr, was Mutter gesagt hat? Keines der Mädchen, in deren Körpern du wiedergeboren wurdest, hat je das Alter von sechzehn erreich t – Anita Palmer ist die einzige Ausnahme.«
    Tanias Kehle war wie zugeschnürt und in ihren Augen brannten Tränen.
    Sie war so aufgewühlt, dass sie sich nicht einmal die Mühe machte, den Computer ordentlich herunterzufahren, sondern ihn einfach ausschaltete. Abrupt verstummte das Summen der Maschine, der Bildschirm wurde dunkel und das Foto verschwand.
    »Es macht uns nicht immer glücklicher, mehr zu wissen«, bemerkte Sancha weise. »Aber ist es nicht tröstlich, dass in der Welt der Sterblichen Tod und Geburt sich miteinander abwechseln?« Sie legte ihre Hand an Tanias Wange und drehte ihr Gesicht sanft zu sich hin. »Dieses Kind musste sterben, damit du geboren werden konntest.« Sie lächelte Tania voller Mitgefühl an. »Ich möchte dich nicht anders haben, als du jetzt bist, liebe Schwester. Alles Gute und alles Schlechte, das dir in der Vergangenheit geschehen ist, hat dich zu dem Menschen gemacht, der du jetzt bist.«
    »Aber sie waren so glücklich«, flüsterte Tania. »Es ist schrecklich, dass sie alle gestorben sin d … vielleicht nur ein paar Tage oder Wochen, nachdem ich bei ihnen war.« Ein entsetzlicher Gedanke schoss ihr durch den Kopf. »Möglicherweise kamen sie sogar noch in derselben Nacht ums Leben. Hätte Flora ihn überreden können, mit der Arbeit aufzuhören, wäre das Feuer vielleicht nie ausgebrochen.«
    »Du Arme«, tröstete Sancha. »Du trägst wahrlich eine schwere Bürde!«
    Tania warf sich Sancha
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