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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unversehens den beiden
Ungeheuern gegenübersah, auf die er im Hafen gestoßen war!
Sie waren noch größer, als er geglaubt hatte, gute
zwei Meter, und mit einer unglaublichen Schulterbreite. Ihre Haut war rauh wie gegerbtes Leder, die
Köpfe selbst für die riesigen Gestalten viel zu groß
und kugelrund, und sie hatten tatsächlich nur ein einziges, wenn auch gute zwanzig Zentimeter durchmessendes Auge. Und natürlich waren es keine Riesen
oder irgendwelche Ungeheuer. In der kleinen Kammer, in die Mike blickte, hingen zwei Taucheranzüge;
schwere, Rüstungen mit wuchtigen Kupferhelmen, in
die eine runde Glasscheibe eingelassen war. Und im
selben Augenblick, in dem Mike dies begriff, wußte er
auch, wo er war.
»Das ... das ist ein Unterseeboot!« sagte er erstaunt.
»Wir sind auf einem Tauchboot, nicht wahr?«
Kapitän Winterfeld lächelte anerkennend. »Ich habe
immer gewußt, daß du ein kluger Bursche bist«, sagte
er.
Sie gingen weiter, durchquerten einen runden, mit allerlei technischen Apparaturen vollgestopften Raum,
der wohl die Brücke des Tauchbootes darstellte, und
betraten schließlich eine winzige Kabine, die gerade
Platz für ein Bett, einen Stuhl und einen Schreibtisch
bot. Winterfeld setzte sich und schickte die beiden
Matrosen fort. Mike mußte stehen bleiben, allerdings
nicht aus Unhöflichkeit: die Kabine war einfach nicht
groß genug für einen zweiten Stuhl.
»Schließ die Tür, Michael«, sagte Winterfeld.
»Mein Name ist Mike«, sagte Michael ärgerlich,
»nicht Michael.« Trotzdem tat er, was Winterfeld von
ihm verlangte.
»Nein«, antwortete Winterfeld mit einem sonderbaren
Lächeln, »das ist er nicht. Aber dazu später.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und maß Mike mit einem nachdenklichen Blick.
»Ich will es kurz machen«, begann er schließlich. »Ich
habe dich entführen lassen, weil ich etwas Bestimmtes von dir will. Ich nehme an, du weißt nicht, daß
dein Vater bei einem Notar in London Papiere für
dich hinterlegt hat, die dir an deinem einundzwanzigsten Geburtstag übergeben werden sollen. Ich bin nun
in den Besitz dieser Dokumente gelangt - wie, das ist
jetzt nebensächlich.«
Er senkte den Blick auf den mit Papieren und Blättern übersäten Schreibtisch, und Mike versuchte zu
erkennen, was auf ihnen geschrieben stand.
Die meisten Blätter waren eng mit einer
unleserlichen Handschrift bekritzelt und schienen außer Text
auch eine Unzahl komplizierter Formeln und
Gleichungen zu enthalten. Bei einigen wenigen Blättern
handelte es sich ganz offensichtlich um Seekarten.
»Wie es scheint«, fuhr Winterfeld nach einer kurzen
Pause fort und seufzte, »nützen mir diese Papiere allein gar nichts. Dein Vater hat sie nämlich in einem
Code abgefaßt, den wohl nur du lesen kannst. Du verstehst jetzt mein Problem?«
»Ja«, antwortete Mike, »aber ich muß Sie enttäuschen. Ich weiß nichts von einem Code.« Er nahm eines der Blätter zur Hand und studierte es ein paar Sekunden lang aufmerksam. Dann verbiß er sich mit
Mühe ein Grinsen. Tatsächlich war die Schrift scheinbar unleserlich - aber eben nur scheinbar. Was Winterfeld für einen Code hielt, das war nichts anderes
als Sanskrit, die indische Schrift, deren Buchstaben
dem unkundigen Auge tatsächlich wie die verschlungenen Symbole einer Geheimschrift erscheinen mochten. Es handelte sich um einen kaum bekannten - und
fast ausgestorbenen - Dialekt. Sein Vormund hatte
darauf bestanden, daß er ihn lernte, und bis zu diesem Moment hatte Mike niemals eingesehen, wozu
das gut sein sollte. Jetzt glaubte er es allmählich zu begreifen.
Als er das Blatt wieder senkte, begegnete er Winterfelds Blick, und was er darin las, das ließ ihn seine
Schadenfreude auf der Stelle wieder vergessen. »Versuche bitte nicht, mich für dumm zu verkaufen, Michael«, sagte Winterfeld. »Ich weiß sehr wohl, daß diese
Papiere in deiner Muttersprache abgefaßt sind. Für so
etwas gibt es Dolmetscher, die sie mir mühelos übersetzen. Aber die Dolmetscher sagen, die Texte ergeben keinen Sinn. Sie sind in einem Code abgefaßt.«
Mike sah noch einmal genau hin und mußte zugeben,
daß Winterfeld recht hatte. Er verstand zwar die Sprache, in der die Papiere abgefaßt waren - aber der Text
war trotzdem ein einzigesDurcheinander.
»Ich weiß wirklich nichts von einem Code«, sagte er.
»Ich kann das auch nicht lesen.«
»Lüg mich nicht an!« sagte Winterfeld streng.
»Dein
    Vater wird sich kaum all diese Mühe
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