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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens
Autoren: Tobias O. Meißner
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steche man schwarze Nadeln überall in seinen Leib hinein.
    Mit der zu voller Länge ausgefahrenen Hakenstange des königlichen Schatzfinders angelte Bestar den Leichnam aus seiner fünf Schritt tiefen Grube. Es war ein schauerliches und schwieriges Unterfangen, den Verwesten in einem Stück aus dem Schacht zu holen; Rodraeg kroch dazu ebenfalls beinahe vollständig in das Loch hinein und half, wo er konnte. Aber es war nicht ausschließlich schauerlich und schwierig. Eljazokads nun schütterhaarig wirkender Kopf schien wackelig zu nicken, als Bestar ihn auf seine Arme hob. »Wir geben dir ein wärmeres Bett, mein Freund«, murmelte der Klippenwälder beinahe unhörbar. »Gerade noch rechtzeitig, bevor der Winter kommt.«
    Zu dritt hoben sie ein Grab aus abseits der frostigen Schächte. Dort legten sie ihren Gefährten hinein und deckten ihn dann so sanft wie möglich mit Erde wieder zu.
    Â»Als Grabbeigaben für dich, Eljazokad, wären angemessen gewesen«, begann Rodraeg eine Rede, die in seinem Kopf auftauchte wie von langer Hand vorbereitet, »das Zepter des Riesenkönigs Rulkineskar, das du wohlbehalten quer durch den ganzen Kontinent getragen hast. Der dankbare Blick eines Wales, den du vorm Stranden und Zugrundegehen errettetest. Eine Kugel, geformt aus dem roten Schnee jener anderen und fremden Welt, in die du Bestar und Tjarka aus der Gefangenschaft fortführtest. Ein Stück Segel des Stadtschiffes von Tengan, zu dem das Leben dich wieder und wieder hinzuführen schien. Millionen Tage voller Licht, dessen Magier und Vertreter du warst, so sehr und so überzeugt, dass du diese Gabe sogar aufgeben konntest, um deinen Freunden unter Menschen und Riesen beizustehen.
    All dies können wir dir nicht ins Grab zaubern. Wir sind unbeträchtlicher und machtloser als du. Aber mir ist zu Ohren gekommen, dass du dir das Leben nahmst, um nicht als Geisel gegen uns verwendet werden zu können. Dies ist eine Schuld, der wir uns bewusst sind und die ich, Rodraeg Talavessa Delbane, abzutragen gedenke. Nicht einfach nur durch Rache an deinen Mördern. Auch du hast nie eine Waffe getragen und bist mir darin weiterhin ein Vorbild. Nicht durch Rache also, sondern vor allem durch ein Fortführen deiner in uns allen auf ewig leuchtenden Taten.«
    Es war schwer, Bestars verheultem Blick zu begegnen. Der Klippenwälder schniefte und häufte weiterhin Erde auf Eljazokad, damit dieser es warm hatte.
    Tjarka stand noch lange am Grab und sagte dann: »Auf bald, Eljaz! In der anderen Welt … starben wir zuerst. In dieser bist du uns vorausgegangen. Die Zeiten laufen unterschiedlich schnell. Also vielleicht sind wir schon morgen wieder bei dir.« Das stimmte alles nicht, in der anderen Welt war die Zeit viel schneller verstrichen als hier, aber das war egal. Tjarka maßte sich nicht an, das alles zu verstehen. Sie hoffte nur, dass man sich wiedersehen konnte, wenn man tot war, und das genügte ihr.

    Rodraeg wollte noch den Niemalsbrunnen sehen, bevor sie Richtung Miura und Wildbart aufbrachen.
    Der Niemalsbrunnen besaß eine steinerne Einfassung und eine moosige hölzerne Abdeckung.
    Dies also war eine Verbindung zwischen den beiden Welten der Konkreszenz.
    Rodraeg wagte nicht, hinein- und hinunterzuschauen, aus Furcht, im Abgrund seiner eigenen Verantwortung verloren zu gehen.
    Hätten sie Eljazokad hier hineinwerfen können? Wäre er dann wohlbehalten in jener anderen Welt angekommen?
    Aber hätte er so Frieden finden können? Oder wäre er ewig gefallen, gefallen, gefallen, weil der Brunnen keinen Grund besaß, kein Mitleid und kein Ziel?
    Rodraeg berührte den Stein und das Holz, das feuchte Moos und die zugige Luft am Rande der Abdeckung.
    Um das alles zu begreifen, um keine Fehler zu machen, brauchte er Eljazokads Wissen von der anderen Welt. Eljazokads Tagebücher.
    Und um an diese heranzukommen, musste er nach Warchaim, solange es noch existierte.

Epilog

    Jeron MeLeil Gabria kroch rückwärts, fort von dem Licht.
    Sie waren alle tot. Waren sie nicht alle tot?
    Die drei Magier aus Warchaim, die sich alle ähnlich sahen wie Brüder, manchmal aber auch wie ein Großvater, ein Sohn und ein Enkel – sie waren als Erste verloschen. Seltsame, unwirkliche Gestalten sie alle, aber zu Glut verfestigt und schließlich zu Rußstaub. Welch ein Brüllen!
    Dann die Ritterin. Ihre Rüstung schmolz ihr am Leibe, und
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