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Die Verfuehrung einer Fremden

Die Verfuehrung einer Fremden

Titel: Die Verfuehrung einer Fremden
Autoren: Victoria Veel
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nicht interessieren würde, dass er eine neue Freundin hatte. Doch ich brauchte Ben auch für meinen eigenen Plan, über den ich mir allerdings noch nicht so viele Gedanken gemacht hatte.

    „Und wegen Matt- Wo siehst du ihn? Ist es irgendwie möglich, dass er uns zusammen sieht?“ fragte Ben nun. Ich überlegte. Matt wohnte in meiner Nähe, es war nicht unwahrscheinlich, einander beim Einkaufen oder auf dem Weg zur U-Bahn über den Weg zu laufen. Und er ging jeden Donnerstag zu den Gallerieeröffnungen in Chelsea, wo wir uns auch damals kennengelernt hatten. Ben schien dieser Plan zu gefallen.

    „Okay, mit deinem Matt könnte es also etwas Schwieriger werden als mit Alicia, aber wir werden ihn schon treffen, selbst wenn wir etwas Geduld brauchen. Du kannst auf mich zählen.“ sagte Ben vergnügt und nahm einen weiteren Schluck seines Bieres.

    Unser Plan klang so einfach, dass ich fast schon zweifelte, dass es klappen könnte. Doch was hatten wir für Alternativen. Matt hatte sich seit unserer Trennung nicht ein einziges Mal gemeldet und ihm zufällig über den Weg laufen wollte ich vermeiden, zumindest wenn ich allein war. Und so nahm ich ebenfalls einen großen Schluck meines Bieres und nahm mir vor, positiv in die Zukunft zu blicken. Den Rest des Abends redeten Ben und ich über alles mögliche, nicht aber über unseren Plan oder unsere Expartner. Besser gesagt, Ben redete anfangs wiedermal pausenlos über sich selbst und seinen Job, aber ich wechselte immer wieder das Thema, wodurch unsere Gespräche zu allen möglichen Bereichen des Lebens gingen, von Kindheitsanekdoten, über Musikgeschmack, bishin zu Reiseerfahrungen. Ben war in New York geboren und aufgewachsen, wie ich es vermutet hatte. Seine Eltern arbeiteten ebenfalls in der Finanzbranche und so war er da hinein gewachsen. Er war Einzelkind und ich vermutete still, dass er deshalb wohl sehr von seinen Eltern verwöhnt worden war. Wahrscheinlich hatte sich alles immer um ihn gedreht, daher fiel es ihm heute schwer, mal nicht pausenlos über sich selbst zu reden. Ben hatte sein ganzes Leben im Wohlstand gelebt, aber ich konnte ihn einfach darum nicht beneiden. Viel zu erschreckend fand ich sein Geständnis, dass er im Grunde nie darüber nachgedacht hatte, was er später werden wollte, ob er wirklich Finanzberater werden wollte oder etwas ganz anderes. Für seine Eltern war es selbstverständlich gewesen, dass er in ihre Fußstapfen tritt und er selbst habe das nie hinterfragt. Zwar war ich selbst in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, meine Eltern hatten jedoch gute Jobs gehabt, mein Vater war Priester in der protestantischen Kirche, meine Mutter Dermatologin. Ich jedoch hatte mir nie von meinen Eltern vorschreiben lassen, was ich tun sollte und was nicht. Ben schien das anders zu sehen. Überraschenderweise war er auch weniger gereist als ich, obwohl er im Gegensatz zu mir nicht ständig pleite war. Er schien sein schillerndes Leben in New York zu genießen und nicht zu glauben, dass es irgendwo anders auch interessant sein konnte. Ich erzählte Ben von meiner Reise nach Südamerika, wo ich mit meinem Rucksack durch Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien gereist war und überraschenderweise hörte Ben gebannt zu, ohne mich ein einziges Mal zu unterbrechen. Er schien ernsthaft interessiert zu sein, was ich zu sagen hatte, denn er fragte auch immer wieder Einzelheiten zu meiner Reise und meinen Erfahrungen. Es sah aus, als hätte ich ihn für einen Moment aus seinem Schneckenhaus locken können, oder besser gesagt heraus aus seinem Luxus Vacuum in Manhattan, in dem er sich dauerhaft befand.

    Der Abend war fortgeschritten und wiedermal war es Zeit für Ben, sich auf den Heimweg zu machen. Morgen war erst Donnerstag und wieder musste er um sieben Uhr auf der Arbeit erscheinen. Im Grunde wußte ich nicht mal, wieso wir eigentlich noch immer zusammen im Park saßen, hatten wir die unseren Plan doch schon durchgesprochen. Doch weder ich, noch Ben hatten Anstalten gemacht, zu gehen. Trotz unserer Gegensätzlichkeit musste ich mir selbst eingestehen, dass ich die gemeinsame Zeit mit Ben genoß. Er war anders als alle meine Freunde und mir gefiel es, wie ich ihn mit meinen Geschichten beeindrucken konnte, seine Augen mit meinen Beschreibungen zum Strahlen brachte. Ich genoß es sogar, mir seine Geschichten anzuhören, auch wenn ich sie so oft nicht nachvollziehen konnte, da es eine völlig andere Welt war.

    „Fremde, du die nun gar nicht mehr so fremd
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