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Die Verfuehrung Des Ritters

Die Verfuehrung Des Ritters

Titel: Die Verfuehrung Des Ritters
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einiger Entfernung hörte sie die Schritte eines Menschen, der davonlief. Ihr Retter wirbelte herum, als wollte er dem Fliehenden nachsetzen. Doch dann murmelte er ein paar unverständliche Worte und wandte sich wieder Gwyn zu.
    »Ist er tot?«, wisperte sie, als könnte irgendwer sie hören, der nichts von dem lautstarken Kampf mitbekommen hatte. Als könnte noch Leben in dem zerteilten Körper sein und von ihren Worten wieder geweckt werden.
    Ein Blick aus dunklen, schattigen Augen glitt über den leblosen Körper. »Ja.« Mit einem Fußtritt schob der Fremde den Leichnam beiseite und streckte Gwyn die Hand entgegen, die in einem Handschuh steckte. »Kommt jetzt.«
    »Er ist ganz sicher tot?«
    »Ganz und gar.« Er streckte ihr noch immer die Hand hin.
    »Wirklich tot?«
    »Nein, er ist nur halbtot, und er wird Euch in den kommenden Jahren ständig verfolgen. Und jetzt steht endlich auf und kommt.«
    Gwyn lag flach auf dem Rücken und runzelte die Stirn. Ein knirschender Schmerz ballte sich in ihrem Hinterkopf zusammen. »Ich habe eher Angst, er könnte mich verfolgen, wenn er vollständig tot ist, Mylord.«
    Das brachte ihn für einen Augenblick zum Schweigen. »Steht Ihr jetzt auf oder nicht?«
    »Habt Ihr denn schon so viele Männer umgebracht, dass einer mehr für Euch nichts bedeutet?«
    Er richtete sich auf und blickte auf die verlassen daliegende Straße. Als er sich wieder Gwyn zuwandte, konnte sie nur am Schimmern seiner Zähne erkennen, dass er in der Dunkelheit grimmig lächelte. »Und Ihr, Mylady? Seid Ihr erst auf so wenigen Landstraßen unterwegs gewesen, dass Ihr nicht wisst, wie gefährlich es ist, allein zu reiten ?«
    Sie öffnete den Mund, klappte ihn aber sofort wieder zu.
    »Wisst Ihr so wenig über Männer, dass Ihr glaubt, einer wie der wäre tot nicht besser dran?«
    Er wies auf den Leichnam des Mannes, und sein Lächeln schwand. Er fuhr sich mit einer Hand durch das Haar und zerzauste die dunklen Locken zu feuchten Stacheln.
    »Wisst Ihr eigentlich, wie erschöpft ich bin? Wie sehr ich mir einfach nur wünsche, nach Hause zu kommen?«
    Er ragte vor ihrem ausgestreckten Körper auf. Aber sie hatte keine Angst vor ihm. Er hatte ihr das Leben gerettet. Wovor sollte sie sich da noch fürchten?
    Ihr Verstand zählte die verschiedenen und durchaus überzeugenden Gründe auf.
    Vielleicht, weil er ein so beeindruckender Mann war, der nur aus harten Muskeln und durchdringend schauenden Augen zu bestehen schien? Vielleicht, weil er vier Männer in weniger Zeit getötet hatte, als sie zum Rupfen eines Hühnchens brauchte? Oder vielleicht auch, weil er in der Hand ein Schwert hielt, von dem noch immer warmes Blut tropfte?
    »Steht auf.«
    »Ich ... ich ...«
    »Ihr...«, er beugte sich zu ihr herunter und packte ihre Hand, »hört nicht besonders gut auf das, was man Euch sagt.«
    Er hob sie einfach vom Boden hoch, riss sie von dem Leichnam fort. Der gespaltene Schädel des Soldaten rollte zur Seite, und ein dünnes Rinnsal aus rot gefärbtem Speichel lief aus einem der Mundwinkel. Ihr Retterließ sich auf ein Knie nieder, hob das Kinn des Toten, als überprüfte er sein Werk. Dann ging er zu den anderen toten Männern und machte bei ihnen dasselbe, ehe er sie zum Straßenrand trug.
    »Uns bleibt nur wenig Zeit«, sagte er, während er die Toten zwischen den Bäumen ablegte. »Sobald de Louth die Tore von London erreicht, wird d'Endshire wissen, was geschehen ist. Und dann wird er hinter Euch her sein.«
    »Oder hinter Euch.« Sie strich sich mit beiden Händen ihr Kleid glatt. Ihre Hände zitterten. »Es ist gut möglich, dass es ihm im Moment besser gefällt, Euch zu finden.«
    Sie hörte ein scharrendes Geräusch, bevor er wieder auftauchte. Er hielt einen wertvollen Pfeil mit Eisenspitze in der Hand. Sie starrte ihn entsetzt an. Den Pfeil konnte er nur aus dem Leichnam gezogen haben.
    Er hob sein Schwert auf. »Wie ich bereits gesagt habe, soll sein Vergnügen nicht meine Sorge sein.« Er verstaute den Pfeil wieder sicher in seinem Gürtel und kam auf sie zu. Das Schwert fuhr mit einem flüsternden Laut zurück in die Scheide. Er holte seinen Bogen, der unter einer Eiche gelegen hatte. Dann pfiff er.
    Aus dem Nirgendwo kam das Schnauben eines Pferdes, und dann tauchte zwischen zwei hohen Eichen ein riesiges Ungetüm auf. Das Pferd sah aus, als habe die Natur sich bei dessen Erschaffung geirrt. Es schien nur aus Ecken und Kanten und krummen Beinen zu bestehen. Das Tier trug einen gebisslosen, mit
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