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Die Verborgenen

Die Verborgenen

Titel: Die Verborgenen
Autoren: Scott Sigler
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erholen, aber wie stand es um seine Psyche? Was sie gesehen hatten, wäre für jeden zu viel gewesen, und für einen bescheidenen, gottesfürchtigen Jungen aus Chicago galt das ganz besonders.
    Die Tür ging auf. Bryan Clauser stand im Türrahmen. Er sah gut aus. Noch wenige Tage zuvor war sein Körper von Brandblasen, zwei gebrochenen Fingern und einer aufgerissenen, frisch geklammerten Wange gezeichnet gewesen. Jetzt war das einzig Auffällige an seinem Gesicht ein ordentlich gestutzter dunkelroter Bart.
    Wenigstens dieses Gesicht wirkte, als wäre alles in Ordnung. Die Augen? In ihnen lag ein Ausdruck, den sie zuvor nicht gehabt hatten. Auch Bryan hatte in zu kurzer Zeit zu viel gesehen.
    »Bri-Bri«, sagte Pookie. »Wie hängen sie?«
    Bryan schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Bruder. Der Name lautet jetzt Jebediah, aber du kannst mich auch einfach Jeb nennen.«
    »Das hört sich zwar eher nach Ein Duke kommt selten allein an, aber ich möchte dich lieber nicht in superkurzen Shorts sehen.«
    »In dem Fall kannst du mich einfach Mister Erickson nennen.«
    Pookie lachte. »Na klar. Soll mir recht sein. Bittest du mich nun rein oder was?«
    Bryan nickte und machte rasch einen Schritt zur Seite. Pookie trat ein. Wie zuvor war er überwältigt von der altertümlichen Eleganz des Gebäudes. Nur dass die Villa jetzt keinem verrückten alten Mann mehr gehörte. Jetzt gehörte sie seinem verrückten besten Freund.
    Pookie folgte Bryan ins Wohnzimmer, wobei er auch jetzt das Teakholz, den Marmor, das polierte Messing und die reich verzierten Bilderrahmen geradezu gierig in sich aufsog.
    Emma saß zusammengerollt auf einem wunderschönen vergoldeten Sessel aus viktorianischer Zeit. Die Hündin trug noch immer einen weißen Verband um den Kopf. Sie sah Pookie und begann, mit dem Schwanz zu wedeln, obwohl sie sich nicht die Mühe machte, aufzustehen.
    Pookie deutete auf Emma. »Bri-Bri, ich weiß, dass du so viel Kultur hast wie ein Hinterwäldler, der außer auf seinem Traktor höchstens noch auf irgendeiner Stadiontribüne rumhängt. Aber vielleicht solltest du die Hündin doch nicht auf einem Sessel sitzen lassen, der mehr gekostet hat als mein Buick, als er noch neu war.«
    »Emma kann sitzen, wo sie will«, sagte Bryan leise. »Sie wohnt hier.«
    Pookie erkannte den Ton in Bryans Stimme. Emma war Bryans letzte Verbindung zu Robin. Die Hündin konnte im Haus tun und lassen, was sie wollte – um es zurückhaltend auszudrücken.
    Pookie ging zu Emma und kraulte sie zärtlich hinter den Ohren. Ihre Augen verengten sich zu einem lautlosen Hundelächeln. Er tätschelte ihren Oberkörper und wandte sich dann an Bryan.
    »Dann gehört dir das jetzt alles?«
    »Sozusagen.«
    »Was heißt sozusagen? «
    »Na ja, genaugenommen gehört es immer noch Erickson«, erwiderte Bryan. »Es ist nur so, dass ich jetzt eigentlich Erickson bin.«
    »Du siehst ziemlich gut aus für einen Siebzigjährigen.«
    Bryan nickte. »Ja. Ich meine, der Bürgermeister kümmert sich um all diese Dinge. Er kennt da einige Leute.«
    »Was für Leute?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte Bryan. »Mächtige Leute. Ich weiß nur, dass ich der Erlöser bin. Alles andere ist vorerst nicht wichtig.«
    »Also wirst du diesen Wahnsinn nicht an die Öffentlichkeit bringen? Du bist plötzlich ganz auf Zous Linie, was die Immobilienpreise angeht und die Tatsache, dass die Menschen nicht alles zu wissen brauchen?«
    Bryan nagte an seiner Unterlippe. Dann schüttelte er den Kopf. »Das alles kümmert mich im Moment nicht. Ich glaube, dass Sly entkommen ist. Der Erstgeborene möglicherweise auch. Dort unten waren Hunderte dieser Kreaturen, aber wir haben keine hundert Leichen gesehen. Der Tunnel, durch den wir rausgekommen sind, existiert nicht mehr. Ich muss herausfinden, wohin die übrigen von Maries Kindern geflohen sind. Und wenn Robins Mörderin noch da draußen ist, muss ich sie finden. Die Jagd wird all meine Nächte in Anspruch nehmen, Pooks. Es ist mir scheißegal, wer am Ende die Rechnung dafür zahlt.«
    Pookie nickte. Seine moralische Entschlossenheit, einen Killer, der auf eigene Faust in der Stadt für Sicherheit sorgen wollte, der Justiz zu übergeben, war nicht mehr ganz so nachdrücklich, wenn es sich bei diesem Killer um jemanden handelte, der ihm das Leben gerettet hatte. Und zwar gleich zweimal. Wenn man bedachte, was Pookie gesehen hatte und wie nahe er dem Tod gewesen war … dann war es so vielleicht das Beste.
    »Hey, hast du den
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