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Die Verborgenen

Die Verborgenen

Titel: Die Verborgenen
Autoren: Scott Sigler
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verkünden, wo sie einmal enden würden, wenn es ihnen nicht gelang, Jesus Christus als ihren Herrn und Erlöser anzunehmen.
    Wie unverschämt Pater Esteban gewesen war. In der Hölle gibt es einen besonderen Platz? Vielleicht für Esteban, vielleicht für Menschen wie ihn, die vorgaben, das Evangelium zu predigen, das sie selbst nicht verstanden. Gott liebte Paul Maloney. Gott liebte alle Menschen. Irgendwann würde Paul an der Seite des Herrn stehen, und es wäre Esteban, der die Flammen zu spüren bekäme.
    Esteban und all die anderen, die Paul aus dem einzigen Leben vertrieben hatten, das er jemals kennen sollte.
    Paul bog nach links in die Jones Street. Wohin sollte er gehen? Er empfand ein unablässiges, brennendes Verlangen nach menschlichem Kontakt, das ihn noch immer überraschte. Nicht nach jener Art von Kontakt, die sein Leben verändert hatte, sondern nach ganz normalen Dingen wie einem freundlichen Wort oder einem Gespräch. Einer Verbindung . Er hatte so viele Jahre in der Kirche verbracht, so viele Jahre vor einem ständigen Strom von Menschen. Sogar während der langen Phasen des Studierens und der Kontemplation hatte er selbst sich für die Isolation entschieden; andere Menschen waren immer nur ein paar Zimmer entfernt gewesen, und er hatte gewusst, dass es immer jemanden gab, mit dem er reden konnte, wenn er das Bedürfnis danach hatte.
    Doch während der letzten Jahre wollte niemand mehr mit Paul Maloney sprechen. Er musste genau darauf achten, wohin er ging – einige der Sünder in diesem Viertel neigten dazu, ihr Urteil über ihn mit Fäusten und Füßen deutlich zu machen.
    Es war zwei Uhr nachts. Noch immer waren Menschen unterwegs, besonders in diesem Teil der Stadt, aber es waren nicht mehr viele. Keine jungen Leute mehr auf den Straßen. Eine Schande.
    Ein Geräusch hinter ihm. Metall, das leicht über Backstein kratzte.
    Paul wirbelte herum. Doch da war niemand.
    Sein Herz hämmerte. Er musste daran denken, dass er vielleicht wieder den Mann mit dem zotteligen schwarzen Bart und der grünen John-Deere-Mütze wiedersehen würde. Wie oft war der Mann Paul in der letzten Woche aufgefallen? Viermal? Fünfmal?
    Bitte, Herr im Himmel, lass diesen Mann keinen Vater sein.
    Wieder dieses Geräusch.
    Paul drehte sich so schnell um, dass er fast stolperte. Woher kam dieses Kratzen? Von einem Metallrohr? Von einer Stadtstreicherin, die ihre in Tüten verstauten Habseligkeiten in einem Einkaufswagen mit kaputtem Rad vor sich herschob? Er sah sich nach dem Bärtigen um, doch der Mann war nicht da.
    Paul bedeckte das Gesicht mit seinen kalten Händen. Er begann heftig zu reiben und versuchte, die Angst abzuschütteln. Wie war es nur so weit gekommen? Er hatte nichts Falsches getan – nichts wirklich Falsches. Er hatte nur viel zu sehr geliebt , und jetzt führte er so ein Leben. Er würde einen Fuß vor den anderen setzen und bis zu seinem Tod durch eine Welt der Einsamkeit ziehen.
    »Ich muss stark sein«, sagte er. »Ich werde nichts Böses fürchten, denn Du bist bei mir, Dein …«
    Ein Flüstern in der Luft hinter ihm, als fiele etwas Schweres aus großer Höhe. Schuhsohlen schlugen auf dem feuchten Beton auf.
    Paul drehte sich um, doch bevor er etwas erkennen konnte, gruben sich kräftige Hände in seine Schultern.

Guten Morgen, Sonnenschein
    W ährend die Sonne höher stieg, krochen die Schatten über die Straßen von San Francisco und verschwanden in den Gebäuden, die sie zuvor geworfen hatten.
    Bryan saß auf dem Dachsims seines Wohnhauses und sah in die Morgendämmerung hinaus. Er liebte sein tägliches Ritual auf dem Dach, aber in der Regel endete seine Arbeit, wenn die Sonne aufging.
    Üblicherweise ging Bryan Clauser in der Morgendämmerung schlafen.
    Es kam nur selten vor, dass er die Tagschicht übernahm – eine Vergünstigung, die er seinen langen Dienstjahren verdankte sowie der Tatsache, dass nur wenige seiner Kollegen Interesse daran hatten, von acht Uhr abends bis vier Uhr morgens Mordermittlungen nachzugehen. Doch im Augenblick musste seine geliebte Nachtschicht warten; sie steckten beim Ablamowicz-Fall in einer Sackgasse, und Polizeichefin Amy Zou musste irgendeine Aktion vorweisen, damit die Presse sie nicht bei lebendigem Leib auffraß.
    Wenn die Leiche eines schwerreichen Geschäftsmannes aus der Stadt auf drei Fässer verteilt durch die San Francisco Bay trieb, wollen die Medien Antworten. Zou würde die Informationen höchst geschickt rationieren und die Bluthunde von der
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