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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin
Autoren: Astrid Fritz
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Irgendwann presste er seine Rechte an ihre Brust und knetete sie wie der Bäcker den Teig. Eva spürte, wie sich ihr Magen hob.
    In diesem Augenblick sank Niklas’ Kopf mit einem dumpfen Poltern auf die Tischplatte.
    «Jetzt seht euch mal diesen Zimperling an», geiferte Gallus Barbierer. «Aus dem wird nie ein Mann.»
    Unter lauten Flüchen packte er den Jungen und schleppte ihn die Stiege hinauf. Da spürte Eva zu ihrem Entsetzen eine fleischige Hand unter ihrem Rock, die ihre nackten Schenkel hinaufwanderte.
    «Lasst das!», flüsterte sie heiser und presste die Beine zusammen.
    «Aber, aber, mein Täubchen. Ein bisserl kosten vom Hochzeitsbraten werde ich doch dürfen», lallte der Nachtwächter.
    «Bomeranz! Du hinterfotziger Lump!»
    Eva fuhr zusammen. Hinter Bomeranz stand ihr Stiefvater und schlug dem Vetter hart in den Nacken. «Nimm sofort deine dreckigen Finger da weg!»
    «He, he – was soll das? Jetzt sei doch kein Spielverderber.»
    «Pfoten weg!»
    Mit festem Griff packte ihr Stiefvater den um einiges kräftigeren Bomeranz und zerrte ihn von der Bank.
    «Und jetzt raus hier. Hast genug gesoffen, du Scheißkerl! Los, verschwinde!»
    Mit stierem Blick schwankte der Nachtwächter nach draußen, wo man ihn Sekunden später sich die Seele aus dem Leib kotzen hörte.
    «Danke, Vater», murmelte Eva und stand auf. «Ich geh dann auch zu Bett.»
    «Wart noch.» Die Augen ihres Stiefvaters waren gerötet, das schüttere Haar klebte in Strähnen auf der verschwitzten Stirn. «Sollst nicht denken, ich würd dich an den Nächstbesten verscherbeln. Vielleicht überleg ich’s mir nochmal mit dem Bomeranz.»
    Er trat auf sie zu. Auch er schwankte beträchtlich.
    «Bist viel zu schade für den.»
    Daraufhin geschah etwas Grauenhaftes. Gallus Barbierer zog sie an sich und presste seine geöffneten Lippen auf ihren Mund, die Zunge suchte fordernd Einlass. Eva wand sich wie ein Aal, würgte und spuckte, doch sie steckte fest wie in einer Schraubzwinge. Die Deckenbalken über ihr begannen zu schwanken, in ihren Ohren rauschte ein Sturmwind, ein stechender Schmerz fuhr ihr in die Brust, als ihr Stiefvater sie plötzlich mit seinem ganzen Gewicht zu Boden drückte und sich auf sie presste. Nun war es statt des Nachtwächters seine Hand, die ihr den Schenkel hinauf bis zum Schoß glitt.
    «Keine Angst», keuchte er. «Ich tu dir nichts. Will nur nachprüfen,ob alles rechtens ist bei dir. Sollst schließlich als Jungfer in die Ehe gehen.»
    Was nun folgte, würde ihr nur mehr als eine Folge verzerrter greller Bilder in Erinnerung bleiben, gleich einer nachtschwarzen Landschaft in tosendem Unwetter, die immer wieder durch gleißende Blitze erhellt wird. Die Luft blieb ihr weg, als etwas schmerzhaft mitten in ihre Scham griff, dann wurde ihre Hand gegen den offenen Hosenlatz ihres Stiefvaters gepresst, aus dem eine Rute ragte, wie sie sie noch nie zuvor gesehen hatte, so hart und groß, so unerhört bedrohlich. In diesem Augenblick hörte sie sich selbst schreien aus voller Kehle, schlug und trat um sich, sah den Stiefvater mit einem Mal neben sich am Boden, mit stumpfem Blick und offenem Maul. Nur fort von hier, brüllte es in ihr, nur fort von diesem Ungeheuer, hinaus in die dunkle, eisige Nacht!
    Nun kauerte sie mitten auf der menschenleeren Gasse, das Zittern hörte nicht auf, fuhr ihr wie Wellen durch den Körper und ließ ihre Glieder, selbst als sie schon am Boden lag, zucken und beben, als gehörten sie nicht zu ihr. Längst war ihr Schreien in Röcheln übergegangen, Schaum quoll ihr aus dem Mund, die Augäpfel verdrehten sich zum Himmel, alles krampfte und zog und bog sich in ihr. Gerade als ihr Schädel zu bersten drohte, erblickte sie über sich das liebe Gesicht der alten Hoblerin, dann die Fratze ihres Stiefvaters, und noch einmal die Hoblerin, bevor ihr gänzlich schwarz vor Augen wurde.
    Auf einem Strohsack mitten in der Stube kam sie zu sich. Ihr Kopf schmerzte, und die Kehle brannte wie Feuer.
    «Was   … ist mit mir?»
    «Es ist vorbei. Alles wird wieder gut.»
    Das sagte die Hoblerin, die neben ihr auf einem Schemel saß, während ihr Bruder auf dem blanken Boden hockte. Auf einen Wink der Alten hob Niklas ihren Kopf an und führteeinen Becher an ihre gesprungenen Lippen. Das lauwarme Getränk schmeckte bitter, tat aber gut. Da erkannte Eva den Stiefvater, der zusammengesunken auf der Bank saß, und stieß einen Schrei aus.
    «Ich sag’s euch, Hoblerin» – Gallus Barbierer schüttelte den Kopf  
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