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Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)

Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Die Untoten von Veridon: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Akers
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leer sein als auch vor Menschen strotzen können. Es ließ sich kaum abschätzen.
    »Ihm begegnet? Nein. Ich habe mich mit einem Mittelsmann getroffen, der sich mit einem Mittelsmann dieses Cranich getroffen hatte. Über mehrere Ecken eben.« Grau schüttelte Regenwasser von seinem Mantel und zuckte mit den Schultern. »Du weißt ja, wie solche Geschäfte ablaufen.«
    Grau und ich standen in gegenüberliegenden Ecken des kleinen Raums und waren insgesamt unzufrieden miteinander. Viele der Aufträge, die Grau an Land zog, bekam er, weil er mich kannte. Ich verkörperte sozusagen seine Fahrkarte nach oben. Der Umstand, dass ich nicht nach oben wollte, weil ich dort schon gewesen und fertig damit war, sorgte immer wieder für Spannungen in unserer Beziehung. Das war zwar nicht mein Problem, aber manchmal gestalteten sich die Dinge dadurch schwierig. Warum also trieb ich mich mit ihm herum? Er war seltsam. Auf der Straße hieß es, Grau sei früher ein Erschaffer des Heiligen Algorithmus gewesen und hätte damit aufgehört. Und das war etwas, das man einfach nicht tat. Ich hatte versucht, ein wenig in dieser Geschichte herumzustochern, doch darüber redete er nicht. Allerdings besaß er die richtigen Hände für einen Erschaffer, große, fleischige Hände, ewig schmierig, und er konnte mehr als gut mit Maschinen umgehen. Wenn es um Mechagenetik ging, umgab ihn dieses göttliche Flair. Und dennoch – die Kirche des Algorithmus ließ ihre Leute nicht einfach gehen. Ein Erschaffer blieb in der Kirche oder starb in Ausübung seines Dienstes. Der einzige andere Weg in die Freiheit bestand darin, sich das Pumpenimplantat in den Kopf einpflanzen zu lassen, und da Grau noch reden konnte und sich nicht allzu regelmäßig benässte, glaubte ich nicht, dass er diesen Pfad beschritten hatte. Kurzum: Er machte mich neugierig.
    Unbehaglich schweigend standen wir herum, bis sich die Tür wieder öffnete und Mr. Dünn hereinkam. Trotz all der Bewegung, die ich im Haus wahrnahm, hatte ich ihn nicht gehört, weder vorher, als er sich von der Tür entfernt hatte, noch jetzt, als er sich ihr wieder näherte. Trotzdem war er hier. Er nickte uns zu und verschwand im Flur. Wir warteten eine Sekunde, dann folgten wir ihm.
    Der Gang erwies sich als schmal und niedrig, wie ein langer, in einen Hügel gegrabener Tunnel mit Holzverkleidung. Türen zweigten davon ab, aber keiner der Räume schien beleuchtet zu sein. Dennoch hielt sich jemand darin auf, so viel stand fest. Ob beleuchtet oder nicht, in den Räumen bewegten sich Leute. Mich überkamen schlimme Vorahnungen über das, worauf wir uns einließen, und ich fragte mich, ob man je wieder etwas von uns hören würde; allerdings besaß keine der Türen ein sichtbares Schloss. Für alle Fälle hielt ich die Hand in der Nähe meines Revolvers.
    Soweit ich es beurteilen konnte, führte uns Mr. Dünn in die Mitte des Hauses. Treppen hatte ich zwar noch keine gesehen, dennoch gab es unbestreitbar ein Obergeschoss. Tatsächlich klang es so, als liefe jemand im Gang über uns und hielte mit uns Schritt. Wir gelangten zu einer Tür, die größer als die anderen und rot lackiert war. Sie wies Messingbeschläge auf. Unter der Schwelle schien Licht hindurch. Unser stiller Freund öffnete die Tür, verbeugte sich und hielt inne. Grau zwinkerte mir zu, dann trat er ein.
    In dem Raum war es warm, fast tropisch. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Kamin, dessen knisternder Schein den Großteil der Einzelheiten des restlichen Raums erleuchtete. Ansprechende Möbel aus der Zeit der Epochenwende. Vermutlich hatten sie von Anfang an zum Haus gehört. Früher einmal war es ein ansprechendes Viertel gewesen. Wie der Großteil von Veridon. Früher einmal.
    In der Mitte des Raums stand ein Tisch. Papier lag darauf ausgebreitet. Die sich rollenden Ränder wurden von Flaschen und Leuchtern fixiert, dazu von einem Wald von Wachskerzen, die darauf geschmolzen waren. Alle waren angezündet, trotzdem nahmen sie sich neben dem Licht und der Wärme des Kamins nur wie Sterne neben einer Sonne aus. Uns zugewandt erblickte ich einen Mann, unseren Mr. Cranich. Er stand über den Tisch gebeugt, die langen Arme weit über die Oberfläche ausgebreitet. Der Mann besaß weiche Züge, weiße, glatte Haut und sah wie ein Gelehrter aus. Gepflegtes schwarzes Haar, eine Drahtgestellbrille, in der sich das Kerzenmeer auf dem Tisch spiegelte. Er wirkte gedankenverloren. Grau Anderson trat vor und räusperte sich.
    »Mr. Cranich,
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