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Die Unsterblichen

Die Unsterblichen

Titel: Die Unsterblichen
Autoren: Alyson Noël
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deponieren können und dass es für mich nicht den geringsten Unterschied bedeutet hätte.
    Die Fahrt zu dem neuen Haus war ein undeutlicher Wirbel aus Sonne, Meer und Sand, und als Sabine die Tür öffnete und mich nach oben in mein Zimmer führte, schaute ich mich einmal kurz um und murmelte dann etwas, das vage wie Danke klang.
    »Tut mir leid, dass ich dich allein lassen muss«, sagte sie, ganz offensichtlich heftig bestrebt, wieder in ihre Kanzlei zu kommen, wo alles geordnet und stimmig war und keinerlei Ähnlichkeit mit der zersplitterten Welt eines traumatisierten Teenagers hatte.
    Und in dem Augenblick, als sich die Tür hinter ihr schloss, warf ich mich aufs Bett, begrub das Gesicht in den Händen und fing an, mir die Augen aus dem Kopf zu heulen.
    Bis jemand sagte: »Also bitte, jetzt schau sich einer das an. Hast du dir das Zimmer überhaupt angesehen? Den Flachbildschirm, den Kamin, die Sprudelwanne? Ich meine, hallo?«
    »Ich dachte, du kannst nicht sprechen?« Ich rollte mich auf die andere Seite und sah meine Schwester wütend an, die übrigens einen pinkfarbenen Juicy-Trainingsanzug, goldfarbene Nikes und eine leuchtend rote Perücke trug.
    »Natürlich kann ich reden, sei doch nicht blöd.« Sie verdrehte die Augen.
    »Aber die letzten paar Mal -«, setzte ich an.
    »Da habe ich nur Spaß gemacht. Knall mich meinetwegen dafür ab.« Sie pirschte in meinem Zimmer umher, fuhr mit den Händen über den Schreibtisch, befingerte den neuen Laptop und den iPod, die Sabine dort hingelegt haben musste. »Ich glaub's einfach nicht, dass du so eine Hütte hast. Das ist ja so was von unfair!«
    Sie stemmte die Hände in die Hüften und machte ein finsteres Gesicht. »Und du freust dich noch nicht mal darüber! Ich meine, hast du schon den Balkon gesehen? Hast du dir überhaupt die Mühe gemacht, mal zu gucken, wie die Aussicht ist?«
    »Die Aussicht ist mir egal«, gab ich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte sie an. »Und ich glaub's einfach nicht, dass du mich auf die Tour reingelegt hast. So zu tun, als könntest du nicht sprechen.«
    Doch sie lachte nur. »Du kriegst dich schon wieder ein.«
    Ich sah zu, wie sie durchs Zimmer ging, die Vorhänge zur Seite schob und sich abmühte, die Balkontür zu öffnen. »Und wo hast du überhaupt all die Klamotten her?«, wollte ich wissen und musterte sie von Kopf bis Fuß, verfiel sofort wieder in unsere übliche Routine aus Anzicken und Nachtragen. »Erst kreuzt du in meinen Sachen auf, und jetzt trägst du Juicy, und ich weiß genau, dass Mom dir diesen Trainingsanzug nicht gekauft hat.«
    Sie lachte. »Bitte, als würde ich immer noch Moms Erlaubnis brauchen, wenn ich einfach in den großen Himmelsschrank gucken und mir alles nehmen kann, was ich will. Umsonst«, erwiderte sie und drehte sich lächelnd um.
    »Im Ernst?«, fragte ich und riss die Augen auf; ich fand, dass sich das nach einem ziemlich guten Deal anhörte.
    Sie schüttelte lediglich den Kopf und winkte mich zu sich. »Komm schon, komm her, und sieh dir deine coole neue Aussicht an.«
    Also tat ich es. Ich stand vom Bett auf, wischte mir mit dem Ärmel über die Augen und ging auf den Balkon. Ich drängte mich an meiner kleinen Schwester vorbei, und meine Augen wurden riesengroß, als ich auf die Steinplatten trat und die Szenerie vor mir in mich aufnahm.
    »Soll das vielleicht witzig sein?«, fragte ich, während ich auf eine Aussicht starrte, die eine genaue Replik des goldgerahmten Paradies-Bildes war, das sie mir im Krankenhaus gezeigt hatte.
    Doch als ich mich wieder zu ihr umdrehte, war sie schon fort.
     
     

VIER
    Riley war es, die mir half, meine Erinnerungen wiederzufinden. Sie lotste mich durch Geschichten aus meiner Kindheit, rief mir das Leben ins Gedächtnis, das wir geführt, die Freunde, die wir gehabt hatten, bis allmählich alles wieder an die Oberfläche kam. Außerdem half sie mir dabei, Gefallen an meinem neuen Leben in Südkalifornien zu finden. Mitzuerleben, wie toll sie mein neues Zimmer, mein leuchtend rotes Cabrio, die phantastischen Strände und meine neue Schule fand, ließ mich begreifen, dass dies hier, wenngleich es auch nicht das Leben war, das mir lieber gewesen wäre, trotz allem lebenswert war.
    Und obwohl wir immer noch genauso viel streiten und uns gegenseitig auf die Nerven gehen wie früher, lebe ich in Wahrheit für ihre Besuche. Sie wiedersehen zu können, heißt, dass ich einen Menschen weniger vermissen muss. Und die Zeit, die wir
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