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Die Unsterblichen

Die Unsterblichen

Titel: Die Unsterblichen
Autoren: Alyson Noël
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knautschten). Und außerdem das Armband mit den Glücksbringern, das ich zu meinem dreizehnten Geburtstag bekommen hatte, und von dem ich wusste, dass sie schon immer scharf darauf gewesen war.
    Stattdessen lächelte und nickte ich bloß und tat so, als bemerke ich das alles gar nicht, als ich mich zu ihr vorbeugte und die Augen zusammenkniff. »Also, wo sind Mom und Dad?«, fragte ich und dachte im Stillen, sie würden auftauchen, wenn ich nur genau genug hinsah.
    Aber Riley lächelte nur und wedelte neben dem Körper mit den Armen.
    »Du meinst, sie sind Engel?« Meine Augen wurden riesengroß.
    Sie verdrehte die Augen, schüttelte den Kopf und drückte die Hände in die Seite, während sie sich vor stummem Lachen krümmte.
    »Okay, schön, wie du willst.« Ich warf mich rückwärts gegen die Kissen und fand, dass sie sich wirklich eine Menge herausnahm, auch wenn sie tot war. »Also, erzähl doch mal, wie ist es so da drüben?«, fragte ich, fest entschlossen, nicht zu streiten. »Seid ihr, na ja, ist es, also, wie im Himmel?«
    Sie schloss die Augen und hob die Hände, als balanciere sie einen Gegenstand darauf, und dann erschien aus dem Nichts ein Gemälde.
    Ich beugte mich vor und betrachtete ein Bild, das ganz sicher das Paradies darstellte, eierschalfarben mattiert und goldgerahmt. Das Meer war tiefblau, die Klippen zerklüftet, der Sand golden, die Bäume blühten, und der schattenhafte Umriss einer fernen kleinen Insel war am Horizont zu sehen.
    »Und warum bist du jetzt nicht dort?«, erkundigte ich mich.
    Sie zuckte mit den Schultern, und das Gemälde verschwand. Und sie auch.
     
    Ich lag über einen Monat lang im Krankenhaus, mit Knochenbrüchen, einer Gehirnerschütterung, inneren Blutungen, Abschürfungen und Prellungen sowie einer ziemlich tiefen Platzwunde auf der Stirn. Während ich also mit Verbänden und Medikamenten flachlag, fiel Sabine die undankbare Aufgabe zu, unser Haus auszuräumen, die Beerdigungen zu arrangieren und meine Sachen für den großen Umzug nach Süden zusammenzupacken.
    Sie bat mich, eine Liste von allen Dingen zu machen, die ich mitnehmen wollte. All die Dinge, die ich vielleicht aus meinem vollkommenen Leben in Eugene, Oregon, mitschleifen wollte in mein beängstigendes neues Leben in Laguna Beach, Kalifornien. Doch abgesehen von ein paar Klamotten wollte ich nichts haben. Ich konnte nicht ein einziges Andenken an all das ertragen, was ich verloren hatte; es war ja nicht so, als würde irgendein blöder Pappkarton voller Schrott mir jemals meine Familie wiederbringen.
    Während ich in diesem sterilen Raum festsaß, kam die ganze Zeit regelmäßig ein Psychologe zu mir, irgend so ein übereifriger Praktikant mit beigefarbener Strickjacke und einem Klemmbrett, der unsere Sitzungen immer mit derselben hirnlosen Frage begann, wie ich mit meinem »schweren Verlust« umginge (seine Formulierung, nicht meine). Danach versuchte er, mich dazu zu überreden, im Zimmer 618 vorbeizuschauen, wo die Trauerberatung stattfand.
    Aber da wollte ich auf gar keinen Fall mitmachen. Auf gar keinen Fall wollte ich mit einem Haufen gequälter Leute in einem Kreis sitzen und darauf warten, allen vom schlimmsten Tag meines Lebens zu erzählen. Ich meine, was sollte das denn helfen? Wie könnte ich mich besser fühlen, wenn ich bestätigte, was ich bereits wusste - nicht nur, dass ich ganz allein schuld an dem war, was meiner Familie zugestoßen war, sondern dass ich auch noch dumm genug, egoistisch genug und faul genug gewesen war, mich durch Bummeln, Zaudern und Trödeln glatt selbst um die Ewigkeit zu bringen?
     
    Sabine und ich sprachen auf dem Flug von Eugene nach Orange County nicht viel, und ich tat so, als wären mein Kummer und meine Verletzungen der Grund, dabei brauchte ich in Wirklichkeit einfach nur ein bisschen Abstand. Ich wusste genau Bescheid über ihre widerstreitenden Gefühle, dass sie einerseits unbedingt das Richtige tun wollte, während sie andererseits nicht aufhören konnte, im Stillen zu denken: Warum ich?
    Ich frage wohl niemals: Warum ich?
    Meistens frage ich: Warum sie und nicht ich?
    Doch ich wollte auch nicht riskieren, sie zu kränken. Nach all der Mühe, die sie sich gemacht hatte, nachdem sie mich aufgenommen und versucht hatte, mir ein schönes Zuhause zu schaffen, konnte ich es nicht riskieren, sie wissen zu lassen, wie sehr sie all ihre Arbeit und all ihre guten Absichten an mich verschwendet hatte. Dass sie mich genauso gut in irgendeiner alten Absteige hätte
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