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Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
Autoren: Elke Marion Weiß
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Zeug. Man sah doch, dass
sie mit Spaß an der Freud dabei waren.
    Aber sie
bekamen ihren Applaus. Der Beifall war sogar richtig frenetisch, trotz der Grabesmienen
vorhin. Trio und Dirigent fassten sich an den Händen und verbeugten sich tief. Sie
strahlten.
    Paula stand
auf und ließ sich mit den anderen hinausschieben, das Leitmotiv des ersten Satzes
nicht nur im Kopf.
    »Musst du
jetzt auch noch pfeifen?«
    »Warum nicht?
Was stört dich denn daran? Denkst du, die Komponisten haben nie gepfiffen? Was glaubst
du denn, wie die überhaupt komponiert haben?«
    Ohne auf
Roberts Antwort zu warten, wandte sie sich ab. Sie ging zu Becca und Johannes hinüber,
die bereits an der Garderobe standen.
    »Sagt mal,
hättet ihr nicht Lust, mit ins ›Hofbräuhaus‹ rüberzugehen?«
    Die beiden
nickten. Ja, eine prima Idee. Und flugs packten sie Robert am Arm und zogen ihn
mit sich fort.
    Im ›Hofbräuhaus‹
war es brechend voll, und es dauerte, bis die Männer vier Plätze gesichtet hatten.
Plätze mit Pferdefuß allerdings, wie sich sehr schnell herausstellte. Der Pferdefuß
hieß natürlich Prof. Dr. Steinkötter nebst Ehefrau Irmel. Paula wand sich. Ganz
anders natürlich Robert.
    »Ach, lieber
Steinkötter! Gnädige Frau! Das ist aber schön, Sie hier zu treffen. War das nicht
ein gelungenes Konzert? War das nicht beeindruckend, was der junge Hornbogen da
geboten hat?«
    Blablabla.
So würde das nun endlos weitergehen. Vergebens versuchte Paula, Robert auf einen
Vierertisch in der hintersten Ecke aufmerksam zu machen, wo gerade gezahlt wurde.
Aber nein, er schüttelte ihre zupfenden Finger ab und zwang sie alle entschlossen
an den Steinkötter-Tisch.
    Und es wurde
schlimm. Die Steinkötters, die nicht nur über Sachverstand, sondern auch über viel
Geld – ererbtes Geld – verfügten, konnten es natürlich nicht bei der Diskussion
der Hornbogenschen Qualitäten belassen.
    Mitnichten.
Waren sie doch eben aus Sydney zurückgekommen, wo sie den fantastischen Quasimodo
gehört hatten. Ja, und vorher hatten sie Georges Pimpernelle mit den New Yorker
Philharmonikern erleben dürfen. Mit Beethovens Neunter, grandios, unbeschreiblich
grandios. Aber abgesehen davon, der Höhepunkt war vor drei Monaten gewesen, das
Konzert mit Laura Bezell in der Royal Albert Hall, ja, das hatte bei Weitem alles
übertroffen. Was, sie hatten nicht davon gehört? Die Londoner unter dem Dirigentenstab
einer Frau? Das war an ihnen vorbeigegangen? Dieser Mega-Event? Nicht zu glauben.
    Wie immer
in solchen Situationen fing Paula zu schwitzen an. Sie spürte Tröpfchen auf der
Stirn, ihr linkes Auge zuckte. Der Jeansbund klebte nun an ihrer Taille, und das
pinkfarbene T-Shirt zeigte wahrscheinlich schon dunkle Flecken unter dem BH-freien
Busen.
    »Bin gleich
zurück.«
    Sie zwängte
sich an der echauffierten Irmel Steinkötter und Johannes vorbei und verschwand in
Richtung Ausgang. Allerdings nicht, um sich frisch zu machen. Paulas Abgang war
ein endgültiger.

Kapitel 2
     
    Ein dumpfer Aufprall, dann ein Zischen.
Paula schnellte in die Höhe. Was war das? Sie blinzelte ins Dämmerlicht. Oh Robert.
Konnte der nicht die Rollläden zumachen wie jeder vernünftige Mensch? Sie schaute
zu ihm hinüber. Da lag er, von ihr abgewandt, auf der Seite und umschlang mit ausgestrecktem
Arm den Nachttisch. Wohl wieder mal seine Wasserflasche, die umgefallen war und
nun peu à peuauslief. Paula knipste die Nachttischlampe an und starrte auf
den Wecker. Vier Uhr früh. Sie fluchte leise. Aber es half nichts, sie musste sich
die Bescherung ansehen. Ach herrje, es war gar nicht die Wasserflasche, das wäre
ja auch zu schön gewesen. Es war Zitronenlimonade, dieses gelbe klebrige Zeug. So
eine Schweinerei. Und Robert schlief natürlich wie ein Stein. So wie der schnarchte,
konnte die Welt einstürzen. Die Limo war schon in den cremefarbenen Teppichboden
eingesickert, da half kein Zewa-wisch-und-weg, da musste sie mit Wasser und Seife
ran, und zwar sofort.
    Zwanzig
Minuten später lag sie wieder im Dunkeln. Zu wach, um noch mal einzuschlafen, zu
müde, um schon aufzustehen. Ob sie ein paar Zeilen lesen sollte? Besser nicht, das
Licht würde Robert dann vielleicht doch stören. Er würde unwillig knurren. Sie machte
die Augen zu. Durch das gekippte Fenster hörte sie in der Ferne einen Zug vorbeifahren.
Züge! Züge waren für sie Fernweh. Ebenso wie startende Flugzeuge. Die erste Maschine
ging um 5.40 Uhr, die zweite um 6.10 Uhr, die dritte um 6.30 Uhr. Die erste
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