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Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
Autoren: Elke Marion Weiß
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vielleicht doch ein bisschen zu schroff auf an manchen Stellen
…«
    »Aber, aber,
da ist doch Verve dahinter, das Feuer der Jugend – und wenn man bedenkt, dass er
erst am Anfang seiner Karriere steht …«
    Paula seufzte.
    »… kein
einziger Aussetzer, brillant durchgestanden. Und das ohne Noten. Was für eine Gedächtnisakrobatik!
Die Verbannung von Pult und Noten – das heißt Entblößung. Keine Notenpultbarriere.
Das heißt direktes musikalisches Kommunizieren.«
    Guter Gott,
das war ja der Steinkötter. Prof. Dr. Steinkötter von der Musikhochschule. Genauer
gesagt, von der Hochschule für Künste. Steinkötter galt als der Musikpapst der Stadt,
einer, der keine Gelegenheit ausließ, mit seiner fachlichen Omnipotenz zu protzen.
Aber was hieß da Papst – der Gott der Bremer Musikwelt.
    Paula wandte
sich ab. Musste der sich immer so aufspielen?
    »Was halten
Sie von Hornbogens austariertem Klangensemble?«, ging es hinter ihrem Rücken weiter.
    Austariertes
Klangensemble. Sie verdrehte die Augen.
    »Na, Paula,
was machst du denn für ein Gesicht? Als ob du Kröten geschluckt hättest. Gefällt
es dir mal wieder nicht?«, fragte Robert.
    »Doch, doch,
mir gefällt’s. Das ist es nicht.«
    »Was denn
sonst?«
    »Hat nichts
mit der Musik zu tun.«
    »Dann bin
ich aber beruhigt.« Robert verzog die Mundwinkel. »Nicht wahr, Johannes? Nicht wahr,
Becca?«
    Johannes
legte den Arm um Paula. »Schön, dass du doch noch gekommen bist. Wir sehen uns viel
zu selten in letzter Zeit. Übrigens, du schaust blendend aus.« Er drückte sie kurz
an sich. »Wartet, ich hol euch beiden Hübschen was zu trinken. Wie wär’s mit einem
Sekt?«
    Becca nickte,
doch Paula schüttelte den Kopf. Nein, bloß nicht dieses süßliche Gesöff, das hier immer
so warm und abgestanden war . Außerdem hatte sie jetzt wirklich
Durst.
    »Ach, bring
mir doch lieber ein Pils.«
    »Musst du
dich hier wie ein Bierkutscher aufführen? Deine Aufmachung ist ja schon danach.«
    »Jetzt hab
dich nicht so, Robert. Jeans und Blazer sind doch heute in.« Von dem verwaschenen
T-Shirt mit dem Aufdruck: ›1964‹ sprach Johannes vorsichtshalber nicht.
    »Wahrscheinlich
sollte ich noch dankbar sein, dass sie nicht in Turnschuhen gekommen ist.«
    »Ach, hört
doch auf, es ist genug.« Becca hakte sich bei Paula unter. »Hol uns endlich was
zu trinken, Johannes. Komm, sei ein Schatz. Wir verdursten hier sonst noch.«
    Wieder hörte
Paula, wie Steinkötter sich hinter ihr aufplusterte.
    Sie blickte
zu ihm hinüber. Ja, genau. Das war die andere Sache, die sie immer wieder auf die
Palme brachte. Leute wie er. Die alles kommentieren mussten. Die alles besser wussten.
Auch wenn sie es selbst nicht annähernd so gut konnten.
Nach dem Eunuchenprinzip: Aber wir wissen, wie’s geht.
    Paula hatte
es übrigens neulich am eigenen Leib zu spüren bekommen, allerdings in anderem Zusammenhang.
Als sie nämlich Robert die Kurzgeschichte zeigte, die sie im Workshop geschrieben
hatte. Sein ganzer Kommentar war »schlechter Stil«, obwohl er selbst hundsmiserabel
schrieb. Er hatte bei seinen Publikationen immer einen seiner Studenten einspannen
müssen, damit das Zeug lesbar wurde. »Schlechter Stil, Paula, ganz schlechter Stil.«
Mecker, mecker. Dieser Erbsenzähler. Und über den pfiffigen Inhalt kein Wort. Na
ja, es war das erste und letzte Mal, dass sie ihm was zu lesen gegeben hatte.
    »Hier, eure
Getränke.«
    Johannes
hatte lange gebraucht, um die Gläser heil an all den Grüppchen vorbeizujonglieren.
Allzu lange, denn die Pausenklingel schrillte nun schon zum dritten Mal. Paula stürzte
ihr Bier in zwei Zügen hinunter.
    Der Maestro
stand bereits wieder am Pult, und zu Hornbogen hatten sich nun eine füllige Pianistin
und ein noch fülligerer Cellist gesellt. Hoffentlich verhunzten die drei das Tripelkonzert nicht.
    Aber nein,
das taten sie nicht. Weder beim Allegro, noch beim Largo, noch beim Rondo. Und zugegeben,
hier im großen Saal war die Akustik wirklich gut. Seit dem Umbau vor etlichen Jahren
war sie sogar noch besser geworden. Im kleinen Saal allerdings bekam man nach wie
vor das Rattern und Quietschen der Straßenbahn mitgeliefert.
    Paula lächelte
vor sich hin. Doch da schien sie die Einzige zu sein – um sie herum nur ernste Gesichter.
Ach ja, das war’s mal wieder. Beethoven war eben doch eine ernste Angelegenheit.
E-Musik. Todernst, wie der Name schon sagte. Der gute Ludwig musste sich doch im
Grabe umdrehen. Dabei legten sich die drei da vorn so ins
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