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Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
Autoren: Elke Marion Weiß
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die Handtasche samt Inhalt zu Hause gelassen.
Was sie dabei hatte, war nur die Kollegmappe mit ihrer Geschichte.
    »Tut mir
leid, die hab ich nicht dabei.«
    »Was? Sie
haben Ihre Papiere nicht dabei?«
    »Steigen
Sie doch bitte mal aus«, mischte sich nun die junge Polizistin ein.
    »Was soll
das? Wenn ich aussteige, kommen meine Papiere auch nicht angeflogen.«
    »Werden
Sie bloß nicht frech.« Der Herr Polizeiobermeister – das musste er mindestens sein,
der Statur und dem Auftreten nach – riss nun die Wagentür auf und packte Paula am
Arm.
    »Verdammt
noch mal, lassen Sie mich los!« Reflexartig schlug Paula zu. Sie schlug ihm mit
aller Kraft auf die Finger. Und das war’s.
    Beamtenbeleidigung.
Tätlichkeit gegenüber einem Gesetzeshüter. Verkehrsübertretung. Keine Wagenpapiere
dabei. Konnte sich nicht ausweisen. Wollte sich nicht ausweisen.
     
    Paula saß auf der Wache fest. Schwitzend.
    »Ich will
meinen Anwalt sprechen.«
    »Den werden
Sie auch brauchen«, feixte Polizeiobermeister Ringelhahn. Paula hatte also mit ihrer
Vermutung recht gehabt.
    Sie griff
nach dem Hörer, den ihr Ringelhahn hinhielt.
    »Hallo,
Lukas, ich bin’s, Paula. Du, ich brauche dich, ganz dringend. Ich sitze in der Klemme.«
Auf dem Polizeirevier. Dem bei ›Lestra‹. Ja, es gab Probleme. Nein, es sah nicht
sonderlich gut aus. Nein, sie würde nichts sagen, bis er käme. Alles klar. Ja, ja.
    Gott sei
Dank. Ein Anwalt im Freundeskreis, das zahlte sich doch immer aus. Und Lukas, zuverlässig,
korrekt, kompetent, wohl angesehen bei den Kollegen und bei Gericht – Lukas war
jetzt genau der Richtige. Er war zwar nicht der tolle Staranwalt, der Aufsehen erregende
Prozesse mit erinnerungswürdiger Brillanz führte, er war eher, na ja, gediegen.
Aber er war umsichtig und schätzte immer genau ab, was er wagen konnte und was nicht.
Lukas würde es schon richten.
     
    Markus, Lukas und Johannes – das
waren die biblischen Drei, die Unzertrennlichen, Paulas Freunde aus der Studienzeit.
Robert war durch Markus, seinen Bruder, dazugekommen. Die Clique. Ein buntes Häufchen,
das nicht durch gleiche Studienfächer verbandelt war, sondern durch die üblichen
Studentenfeten.
    Mit Ausnahme
von Paula und Markus. Paula und Markus waren sich über den Kunstbereich näher gekommen,
den Paula, wie so manches andere auch, flüchtig gestreift hatte. Markus jedoch hatte
sie nicht ganz so flüchtig gestreift. Die beiden hatten eine Zeit lang ein Verhältnis
miteinander gehabt, noch bevor Robert auf der Bildfläche erschienen war.
    Markus Assmann
galt damals als genialer Überflieger. Er hatte sich auf Filmkunst spezialisiert
und wollte ein berühmter Filmemacher werden. Sein großes Vorbild war Rainer Werner
Fassbinder. Aber dieser Traum hatte sich zerschlagen. Was übrig geblieben war, war
ein unbefriedigender, schlecht bezahlter Job an der Volkshochschule und einige kleine
Experimentalfilmchen, deren Finanzierung jedes Mal einem Vabanquespiel glich und
die natürlich wenig bis nichts einbrachten. Markus nagte am Hungertuch, insbesondere
nach seiner Scheidung von Lisa, sodass Paula und Robert und auch die Freunde ihm
immer wieder unter die Arme greifen mussten. Hier eine Essenseinladung, da eine
Essenseinladung, hier ein Wochenendausflug, da ein Wochenendausflug, et cetera.
Dass Markus alle reihum anpumpte und natürlich nie zurückzahlte, war schon legendär
und wurde mit Fassung – und natürlich aus prall gefüllten Brieftaschen – getragen.
     
    Paula klebte inzwischen an dem speckigen
Kunstleder des Stuhles, den ihr Ringelhahn in giftiger Beflissenheit untergeschoben
hatte. Die Erregung, die Julihitze und andere Wallungen, die sie seit einiger Zeit
plagten, machten ihr jetzt ziemlich zu schaffen. Wo blieb denn bloß Lukas? Nervös
spielte sie an ihren Haaren herum.
    Na endlich.
Die Tür ging auf und Lukas kam herein. In seinem Schlepptau mit eisiger Miene –
Robert. Paula wurde blass. Sie atmete tief durch. Das würde was werden. Aber zuerst
war Lukas dran. Er legte dar, dass die Ehefrau von Professor Assmann keine Gefahr
für die Allgemeinheit sei, dass sie keine terroristischen Neigungen habe, dass er
sie vor Gericht vertreten werde, wenn es denn zu einem gerichtlichen Nachspiel komme.
Oder wollten die Beamten vielleicht doch einsehen, dass dies ein emotionaler Ausrutscher
gewesen sei, nicht ernst zu nehmen, ein Ausflippen in der Sommerhitze? Nein, Polizeiobermeister
Ringelhahn wollte das nicht einsehen. Nicht Gisbert Ringelhahn. Zumindest
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