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Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
Autoren: Elke Marion Weiß
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Zimmer
sogar, ja, gerade frei geworden, was für ein Glück.
    Sie
zockelte los. Cros-de-Cagnes, Cagnes-sur-mer, Saint-Paul, Vence. Sie kannte
die Strecke aus dem Effeff, sie war schon x-mal hier gewesen. Mit Robert.
    Herrliche
Ferien hatten sie hier miteinander verbracht, wohl die glücklichsten Wochen ihrer
Ehe. Da war noch alles in Ordnung gewesen. Ihre ersten Langusten hatte sie hier
gegessen, im ›Scampi d’or‹. Hinterher hatte sie nach Knoblauch gestunken, dass es
nicht mehr feierlich war, aber das hatte Robert nicht bremsen können. Er war damals
so leidenschaftlich gewesen. Tagelang. Solange, bis er sie nicht mehr anfassen durfte,
weil sie sich einen Wahnsinnssonnenbrand geholt hatte. Man hätte nicht einmal ein
Löschblatt auf sie legen dürfen.
    Heute tat
sich Paula das nicht mehr an. Sonnenbräune in ihrem Alter, das waren doch nur noch
mehr Falten. Und außerdem stand genug Schlimmes über Sonnenbrand und Hautkrebs in
der Zeitung.
    Paula parkte
den Wagen, nahm ihr Gepäck und ging in die Eingangshalle. Andere Sitzgarnituren,
andere Auslegeware, andere Vorhänge. Ein anderer Rezeptionschef. Na ja, es war auch
– warte, sie musste überlegen, bestimmt sechs, acht Jahre her, dass sie das letzte
Mal hier Urlaub gemacht hatten.
    Aber der
Herr dort hinten kam ihr bekannt vor, ja, natürlich, das war der Hotelier. Wie hieß
er noch gleich? Es war irgendwas Alkoholisches, Dubonnet, Dujardin, Pommery? Jetzt
hatte sie’s. Cliquot.
    »Monsieur
Cliquot?«
    Der ergraute
Herr im gleichermaßen grauen Anzug blickte auf. Zögernd kam er auf sie zu, dann
lächelte er.
    »Ah,
Madame! Comment allez-vous? Wie schön, Sie zu sehen. Wie lange ist das her,
dass Sie hier waren?«
    Paula war
froh, dass ihr Französisch nicht total eingerostet war. Ein paar Tage hier und sie
würde wieder ganz drin sein. Sie war nämlich recht sprachbegabt. Vielleicht hätte
sie damals doch auf die Dolmetscherschule gehen sollen.
    Sie erklärte,
dass es ihrem Mann gut gehe, dass er anderweitige Verpflichtungen habe, dass er
sie überredet habe, allein zu fahren, weil sie ein bisschen überarbeitet sei. Einfach
mal ein paar Tage raus aus dem Alltagstrott, ein paar Tage ausspannen. Wie lange
sie bleiben wolle? Nun, eine Woche, vielleicht auch zwei. Das Hotel schien ja zum
Glück nicht ganz ausgebucht zu sein.
    Paula bekam
ein großes, helles Zimmer im Erdgeschoss, mit Terrasse. Nachdem sie sich die verschwitzten
Klamotten vom Leib gerissen und geduscht hatte, fühlte sie sich wesentlich besser.
    Rasch packte
sie ihren Koffer aus und griff nach dem Badeanzug. Oh je, das war ja das alte ausgeleierte
Ding. Sie musste sich morgen einen anderen kaufen, vielleicht auch zwei, zum Wechseln.
Der Bikini, den sie dabei hatte, war die allerletzte Reserve. Zwar war er so gut
wie neu, aber ihre Figur, die war nicht mehr so neu. Da war an den falschen Stellen
zu wenig, an anderen zu viel, und manches zu schlaff. Aber für den Augenblick musste
es gehen.
    Paula schwamm
leidenschaftlich gern, und das war für sie der Grund gewesen, im ›Fleurs d’été‹
zu wohnen. Das Schwimmbad im Garten war nämlich 25 Meter lang, wirklich toll für
ein Hotelschwimmbad. Das kam selten genug vor, meistens waren das ja nur Pfützen.
    Paula ließ
sich ins Wasser gleiten. Herrlich war das jetzt, so kühl, so erfrischend. Mit kräftigen
Stößen durchpflügte sie das Becken. Richtig sportlich, nicht ›Achtung, Kopf hoch,
die Locken werden nass‹ .
    Durch ihre
Schwimmbrille sah sie auf den Boden hinunter. Was war denn das? Ihr blieb fast das
Herz stehen. Unter ihr verharrte regungslos – ein riesiger Haifisch! Schnell tauchte
sie aus dem Wasser auf. Sie schaute noch mal hinunter. Dann musste sie lachen. Da
hatte einer bei der Renovierung aber wirklich Humor gehabt.
    Nach 40
Bahnen – Paula zählte immer penibel mit – machte sie Schluss. Sie war jetzt frisch,
und ihr Rücken tat auch nicht mehr weh. Prustend stieg sie aus dem Becken. Und tropfte
auf ein paar lilafarbene Plastikbadeschuhe.
    Zu den Plastikbadeschuhen
gehörte ein älterer Herr in froschgrüner Badehose, der offenbar ins Wasser wollte.
    »Oh, excusez-moi!«
Das kam im Chor. Sie schauten sich verlegen an, dann lachten sie beide.
    Üppige weiße
Haare verbeugten sich vor ihr, ganz comme il faut.
    »Ich wollte
Sie nicht erschrecken, Madame. Gestatten, Thévenon, Philippe Thévenon.«
    »Sie haben
mich nicht erschreckt, ich war nur in Gedanken.« Verlegen trat sie von einem immer
noch tropfenden Bein aufs andere.
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