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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman
Autoren: Andrea Schacht
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erwiderte nicht die Abschiedsrufe und das Winken ihrer Angehörigen.
    »Ist alles zu Ihrer Bequemlichkeit, Madame?«, erkundigte sich Mansel höflich.
    »Danke, ja.«
    »Wir haben eine etwa drei- bis vierstündige Fahrt vor uns. Wünschen Sie unterwegs eine Pause einzulegen?«
    »Danke, nein.« Dann aber fügte sie mit einem schuldbewussten Ausdruck hinzu: »Ich hoffe, Sie tragen es mir nicht zu sehr nach, dass die Feierlichkeit durch mein Verschulden nun ein schnelles Ende gefunden hat, Herr Mansel.«
    »Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken darüber. Der Erdstoß hat Verwirrung angerichtet. Doch sollten Sie zukünftig ähnlich drastische Schritte wie einen Konfessionswechsel - eine Tatsache, die ich natürlich nicht bedauern kann - vornehmen, sollten Sie mich bitte vorab darüber informieren.«
    »Selbstverständlich.«
    Leonie wusste, sie wirkte wortkarg, und nach einigen Minuten besann sie sich auf die Kunst der Konversation.
    »Steht zu befürchten, dass Ihr Haus in Köln Schaden durch das Erdbeben genommen hat, Herr Mansel?«
    »Nein, ich denke, da kann ich Sie beruhigen. Dererlei tektonische Ereignisse sind in unseren Breiten sehr lokal begrenzt. Vermutlich hat man dort noch nicht einmal ein leises Vibrieren wahrgenommen.«
    Ein winziges Aufblitzen in den Augen seiner Gattin überraschte ihn, mehr noch die nächste Frage.
    »Auch der Bau der Eisenbahnlinie wird vermutlich nicht davon tangiert sein, möchte ich dann annehmen.«
    »Nein, gewiss nicht. Es ist ja, außer der Vermessung der geplanten
Trasse und allerersten Schachtungsarbeiten, noch nichts geschehen.«
    »Was aber würde passieren, Herr Mansel, wenn die Gleise bereits lägen und eine Lokomotive führe mit hoher Geschwindigkeit darüber?«
    »Bei dieser Stärke des Bebens, denke ich, würde man annehmen, wie auch in dieser Kutsche, es habe eine Unebenheit des Geländes vorgelegen. Kräftigere Beben allerdings könnten den Gleiskörper schädigen und womöglich die Wagen zum Entgleisen bringen. Aber ich will Sie nicht ängstigen, Madame. Derartige Beben sind hier nicht zu erwarten.«
    »Ich ängstige mich nicht, es war reine Wissbegier. Verzeihen Sie meine Neugier.«
    »Da gibt es nichts zu verzeihen, fragen Sie nur, was Sie wissen wollen.«
    Da ihr Gegenüber sich ihr während ihrer kurzen Verlobungszeit als angenehmer Gesprächspartner empfohlen hatte, wagte Leonie also, weitere Fragen zum wissenschaftlichen Thema der Erdbebenkunde zu stellen, denn sie wusste, dass ihr Gatte, als Geodät und Geologe tätig, eine fundierte Kenntnis über diese Thematik besaß. Während des gelehrten Exkurses über neptunistische und vulkanologische Theorien der Erdgeschichte verlor sich dann auch allmählich ihre innere Anspannung.
     
    Sie setzte schlagartig wieder ein, als sie schließlich ihr Heim in der Hohen Straße erreichten. Es war eines der vielen neuen Häuser, die in den vergangenen Jahren entstanden waren, seit Köln unter der preußischen Herrschaft, wenn auch zunächst zögerlich, einen beträchtlichen wirtschaftlichen Aufschwung genommen hatte. Es war, anders als die alten Stadthäuser mit ihren vorkragenden Obergeschossen, ein helles, dreistöckiges Gebäude, das wie so viele in der Nachbarschaft zur Straßenfront in jeder Etage drei große Fenster aufwies, im ersten Stock sogar einen hübschen Erker. Leonie hatte es bereits im April einmal in Begleitung ihrer Stiefmutter besucht, jedoch noch nicht alle Räume betreten.
    Die Dämmerung hatte sich bereits breitgemacht, und das helle Licht der modernen Gaslampe empfing sie in der Eingangshalle.
Hier warteten auch die Haushälterin Jette und ihr Mann Albert auf die Frischvermählten. Mit einem tiefen Knicks, doch ohne Lächeln, hieß Jette die Hausherrin willkommen, Albert hingegen verband seine Verbeugung mit einem freundlichen Lächeln und sprach die passenden Glückwünsche aus.
    »Bringen Sie das Gepäck nach oben, aber kümmern Sie sich noch nicht um das Auspacken, Albert. Wir werden uns sogleich zurückziehen. Es war ein anstrengender, langer Tag«, beschied ihn Mansel und wies seiner Frau den Weg zur Treppe.
    »Sehr wohl, gnädiger Herr. Wünscht die gnädige Frau noch Ursels Dienste?«
    »Nein, lassen Sie das Mädchen schlafen«, wehrte Mansel statt ihrer ab.
    »Sie haben eine Zofe für mich eingestellt?«, fragte Leonie einigermaßen erfreut, als sie das Wohnzimmer betraten.
    »So kann man es sehen. Ursel und ihr Bruder Lennard sind Mitglieder des Haushalts und haben gewisse Pflichten zu
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