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Die UnderDocks - Verschwörung in der Hafencity

Die UnderDocks - Verschwörung in der Hafencity

Titel: Die UnderDocks - Verschwörung in der Hafencity
Autoren: dtv
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hatte Leon entdeckt, dass eine dieser Maueröffnungennicht nur in die Kellergänge des benachbarten Bürohauses führte, sondern auch in die Kanalisation unterhalb der Straße. Von dort aus würde er, so hoffte er zumindest, bis zum Dalmannkai gelangen, an dem seine Schule lag.
    Nicht einmal das Licht funktionierte hier unten, aber darauf war Leon vorbereitet: Ein sanfter Druck auf die Sensoren in seinem linken Ärmel genügte und zwei LED-Lampen an seiner Schulter leuchteten ihm den Weg. Mithilfe seiner Gleitgel-Schuhe glitt er mühelos über den feuchten Boden des Kellergangs hinweg.
    Seine Brille projizierte ihm den Bauplan des Viertels, den er im Internet heruntergeladen hatte, als farbige transparente Straßenkarte vor die Augen und navigierte ihn so zu seinem Ziel. Leider war die Karte ziemlich ungenau. Und obwohl Leon sie mit seinen eigenen Aufzeichnungen verfeinert hatte, wusste er nicht, wie sehr er sich auf die Karte verlassen konnte.
    Abrupt blieb Leon stehen.
    Von dort, wohin ihn die Navigation führte, meinte er, ein Geräusch gehört zu haben. Im ersten Moment glaubte er an Bauarbeiter. Aber ruhten die Bauarbeiten für diesen Kellerbereich nicht seit Langem? Wer sonst konnte sich hierher in die klammen Kellergänge verirrt haben?
    Leon lauschte in die Dunkelheit hinein, hörte abernichts als seinen eigenen Atem. Als er ihn für einen Moment anhielt, herrschte völlige Stille. Er atmete erleichtert aus und ging weiter.
    Am Ende des langen Ganges, kurz bevor er links hätte abbiegen müssen, schrak er erneut zusammen: Schritte!
    Jemand ging ohne Gleitschuhe durch den Gang. Der Tritt schwerer Stiefel hallte von den Wänden wider. Leon wandte sich um und – schaute Tjark in die Augen! Verdammt, wo kam der denn her?
    Tjark erwiderte Leons fragenden Blick mit einem hämischen Grinsen.
    »Gib dir keine Mühe, Zwerg, freu dich einfach, dass ich da bin.« Er kostete wie immer seine Überlegenheit aus und rückte dicht an den gut drei Köpfe kürzeren Leon heran. Der wich unwillkürlich zurück und stieß dabei gegen eine weitere Person.
    Träne stand direkt hinter ihm. Natürlich! Träne, der wie ein Schatten niemals von Tjarks Seite wich und stolz darauf war, der bedingungslose Helfershelfer seines Bosses zu sein. Seinen Spitznamen verdankte er einem kleinen Leberfleck unter dem linken Auge.
    »Was nehmen wir diesmal, Tjark?«, fragte Träne seinen Boss.

    Eine nicht ganz unberechtigte Frage, wie Leon fand. Denn alles hatten sie ihm irgendwann schonmal geraubt: die Jacke, die Hose, die Schuhe, die Tasche. Jedes Mal hatte Leon seinen Eltern irgendwelche Geschichten aufgetischt, weil es ihm peinlich war, sich regelmäßig von Tjarks Bande ausrauben zu lassen. Sharks, so nannte Tjark sie in Anlehnung an seinen eigenen Namen: Haie.
    Meistens behauptete Leon seinen Eltern gegenüber, er hätte seine Sachen im Umkleideraum der Sporthalle liegen lassen und somit verloren. Doch in der Häufigkeit würde diese Ausrede auch nicht mehr lange ziehen.
    »Egal«, antwortete Tjark seinem Diener und traf damit den Nagel auf den Kopf. Es ging den Sharks schon lange nicht mehr darum, sich an den Raubüberfällen auf Leon zu bereichern. Es ging nur noch darum, Leon nicht mehr in Ruhe zu lassen. Einfach so.
    Mit der Antwort seines Chefs schien Träne allerdings überfordert zu sein. Er konnte sich nicht entscheiden, was er Leon abnehmen sollte.
    Tjark grinste noch breiter. »Dann nimm doch alles!«
    Leon traute seinen Ohren nicht. Ungläubig starrte er Tjark an. Was sollte das? Meistens hatten sie ihm ein Teil abgenommen. Okay, manchmal drei oder vier. Aber alles? Das hatte es noch nie gegeben! So etwas tat man nicht!
    Doch Tjark tat genau das.
    Träne musste auch erst eine Sekunde nachdenken, wie dieser Befehl gemeint war. Als er begriffen hatte, langte er zu. Er riss Leon die Jacke vom Leib, griff sich die Tasche, zerrte ihm die Schuhe von den Füßen, befahl Leon, die Hose auszuziehen, und ... stutzte.
    »Das auch?«, fragte er und zeigte auf Leons Unterwäsche.
    Allein für die Frage hätte Leon Träne am liebsten in den Hintern getreten, wenn er sich getraut hätte.
    Tjark grinste Leon an und wiederholte: »Ich hab doch gesagt: alles.« Dann drehte er sich um und ging. Wenig später trottete ihm Träne mit Leons Sachen beladen hinterher.
    Leon stand splitternackt da und war froh, wenigstens in einem dunklen Kellergang und nicht etwa oben auf der Straße zu stehen. Er hatte noch keine Idee, wie er nach Hause kommen sollte.
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