Die Tuchhaendlerin von Koeln
lausiger Ehemann gewesen sein, aber ich habe immer nur dich geliebt«, murmelte Gottschalk dann und biß die Zähne zusammen. »Immer nur dich, meine Sophia.«
Der Schmerz packte ihn erneut, Schweiß trat auf seine
Stirn. »Habe nie begriffen, warum du gerade mich genommen hast. Bist so klug und tüchtig. Hättest jeden haben können, jeden. Meine süße, schöne kleine Sophia …«
Ich hielt den Atem an. Immer hatte ich mich danach gesehnt, solche Worte von meinem Mann zu hören.
Er versuchte, nach meinem Arm zu greifen, aber mitten in der Bewegung fiel seine Hand zurück, und ich sah, wie das Leben aus seinen Augen wich.
Als bald darauf Hermann mit Agathe, der Schwester von St. Ursula herbeigeeilt kam, saß ich stumm neben der Leiche meines Mannes. Mein Schmerz war zu tief für Tränen.
Schwester Agathe, eine gelehrte, aber auch geschwätzige Frau, war es dann, welche in der ganzen Stadt die Geschichte von dem Helden Gottschalk verbreitete, der bei der Verteidigung der Stadt eine Wunde davongetragen hatte und ihr erlegen war. Ich selbst habe nie mehr ein Wort dazu verloren. Da mein Liebster tot war, war es nicht mehr wichtig für mich.
Von den Jahren meiner Witwenschaft will ich nichts weiter berichten. Du hast ja selbst erlebt, wie meine Gelenke erkrankten, so daß ich mich nur mühsam aus meinem Stuhl erheben, nur kurze Strecken humpeln kann - ich, die ich mein Leben lang immer geschwind, immer auf den Beinen war. Ich habe nun Zeit gehabt, nachzudenken; über Gottschalk, dessen Tod mein Lebensgespinst für immer zerrissen hat. Über meine Familie, über die Geschicke meiner Vaterstadt, und auch über mich selbst und die Fehler, die ich in meinem Leben angehäuft habe. Es lohnt nicht, darüber noch mehr Worte zu verlieren.
Aber, meine Tochter, etwas sehr Wichtiges habe ich mir zum Schluß aufgehoben. Ich habe nämlich eine Sache ausgelassen,
von der du erfahren mußt. Ich habe dir berichtet, wie ich das letzte Mal in Braunschweig war und den Löwen kurz vor seinem Tode ein letztes Mal besuchen durfte. Aber bei meinem vorletzten Besuch, drei Jahre vorher, bald nach Mathildes Tod, ereignete sich etwas, was ich dir bisher verschwiegen habe.
Ich saß damals mit dem Herzog in der Kemenate, die seine Frau stets bewohnt hatte. Es dämmerte schon stark, und ich konnte sein Gesicht nicht genau sehen. Er nahm meine Hand und drückte sie. Dann sagte er zu mir:
»Du weißt, was mir Mathilde bedeutet hat. Sie war das ganz große Geschenk des Himmels für mich. Ich habe mir lange Jahre Sorgen gemacht, was aus ihr würde, wenn ich sterben müßte; denn da ich so viel älter war als sie und so oft im lebensgefährlichen Kampf, habe ich nie daran gezweifelt, vor ihr gehen zu müssen. Später glaubte ich dann, ihre Söhne seien nun alt genug, um sie zu schützen, wenn ich nicht mehr wäre. Nie hätte ich gedacht, daß ich es sein würde, der an ihrem Grabe weint. Es ist sehr hart für mich, daß ich nicht bei ihr war, um ihr Trost zu spenden, als ihr Leben zu Ende ging, und ich werde es nie vergessen, daß du sie dabei in deinen Armen gehalten hast.«
Diese Worte des Herzogs habe ich genau behalten; sie gehören zu den Kostbarkeiten im Schatzkästlein meiner Erinnerungen.
Wir schwiegen lange. Das letzte Tageslicht schwand, Heinrich zündete eine Kerze an; ihr schwaches Licht auf dem Tisch flackerte müde.
»Mathilde gehörte zu den beneidenswerten Menschen, die ihren Lebensweg ganz klar und deutlich vor sich sehen«, begann ich zögernd. Und ich erzählte dem Herzog von
der blutjungen, fast noch kindlichen Prinzessin, wie ich sie in London kennengelernt hatte; die eisern entschlossen gewesen war, den Mann, welchen ihre Eltern ihr bestimmt hatten und den sie noch nie gesehen hatte, zu lieben bis ans Ende ihrer Tage - und so war es dann ja auch gekommen. Heinrich lachte, als ich von unseren Unterrichtsstunden berichtete. »Herr Heinrich, Euer Anblick erfreut mein Herz - das war das erste, was sie später zu mir sagte, und sie hat mich damit doch sehr verblüfft. Nun höre ich, daß ihr beide das so abgesprochen und eingeübt hattet«, sagte er erheitert.
»Mathilde hat sich immer vor dem Tag gefürchtet, der ihr ihren geliebten Löwen entreißen würde«, sagte ich. »Diesen Tag hat sie jetzt niemals erleben müssen. Wem ist es schon beschieden, seinem Partner in Liebe verbunden zu sein, jeden Tag, bis zum Tod?«
Heinrich wandte mir sein Gesicht zu und blickte mich aufmerksam im schwachen Licht der Kerze
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