Die Tuchhaendlerin von Koeln
geschah. Falls es dich doch ärgern sollte, bitte ich dich um Verzeihung. Aber ich glaube eher, daß du es verstehst.
Du durftest dein letztes Kind, auf das du dich gefreut hast, nicht mehr zur Welt bringen. Nun werde ich es an deiner Stelle gebären, und falls es ein Mädchen ist, möchte ich es gern Methildis nennen, so heißt dein Name bei uns in Köln. Darf ich das?«
Es wäre gelogen, wenn ich jetzt sagen würde, daß eine Stimme meinen Ohren geantwortet hat. Nein, es blieb still im Dom. Aber in meinem Kopf hörte ich Mathildes Lachen,
und sie meinte, ich trüge in der Tat ein kleines Mädchen, und sie wolle gern die Namenspatin des Kindes sein.
Der Löwe sagte kein Wort, jetzt nicht und auf dem Heimweg nicht. Aber er nahm mich bei der Hand und führte mich sorgsam um jeden kleinen Stein auf der Straße, den er im flackernden Licht der Fackel entdecken konnte.
In der Burg begleitete er mich zu Mathildes Kemenate; dort sagte er zu mir: »Liebe Sophia, ich würde dir jetzt sehr gern etwas schenken, etwas Kostbares. Aber das könnte dir mißfallen, so als solltest du bezahlt werden. Und darum sage ich nur zu dir: Danke. Danke für die lange Freundschaft. Danke für deine Anteilnahme an meiner Familie. Und danke, danke, danke für das Kind. Was kann ich für dich und das junge Leben tun?«
Ich lächelte ihn an. »Nichts, Heinrich. Es wird Gottschalks Kind sein, ich werde ihm die Wahrheit verschweigen. Meinem Beichtvater übrigens ebenso. Dies bleibt ein Geheimnis zwischen dir, Mathilde und mir. Lebe wohl, und wenn ich für Mathilde bete, dann will ich jedesmal auch ein Gebet für ihren Löwen sprechen.«
Ja, meine Methildis, nun weißt du, warum ich dir dies alles erzählt habe, obwohl du es vermutlich lieber nicht gehört hättest. Aber du hast ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren. Ich habe den Löwen dann nur noch das eine Mal kurz vor seinem Tod wieder gesehen, habe aber stets mit großer Zuneigung und Achtung an den Vater meines jüngsten Kindes gedacht. Er war ein großer Mann, ein starker Mann, der sein Schicksal mutig angenommen hat, auch, als das Unglück über ihn kam. Das ist mehr, als die meisten Menschen fertigbringen. Ich möchte nicht behaupten, daß ich ihn in dir wiedererkenne; du bist kein solcher Kraftmensch, wie er es war, hast aber wohl die sanften, fürsorglichen Züge, die auch
ein wichtiger Teil seines Wesens waren. Du siehst ihm auch ähnlich, da aber dein Vater die gleichen wilden schwarzen Locken und feurigen dunklen Augen hatte wie der Herzog, ist die Ähnlichkeit bisher keinem Menschen aufgefallen. Ich bin überzeugt, daß du ganz besondere Begabungen hast, und darum habe ich dir mein Leben und meine Gedanken anvertraut, damit du aus meinen Erfahrungen und auch meinen Fehlern lernst und mein Werk fortsetzen kannst - der alte Wunsch aller Eltern für ihr Lieblingskind. Die letzte Aufgabe in meinem Leben soll nun sein, daß ich den richtigen Ehemann für dich finde, an dessen Seite du glücklich leben wirst. Ein besonderer, starker, kluger Mann muß es sein, der beste, den ich in Köln finden kann. Du wirst eine höchst erfolgreiche Kauffrau werden, und deine Kinder werden nicht nur meine Enkel sein, sondern auch die des großen Herzogs von Sachsen und Bayern, von Heinrich dem Löwen.«
Das Abendlicht fiel durch die teuren Glasfenster in den Raum und malte bunte Flecken auf den gescheuerten Dielenboden. Die alte Frau saß aufrecht in ihrem bequemen Lehnstuhl; erwartungsvoll richtete sich ihr Blick auf ihre Tochter.
Methildis schwieg lange. Dann erhob sie sich und trat auf ihre Mutter zu. Sie lächelte sie liebevoll an, griff die Büchse mit der schmerzstillenden Salbe und rieb Sophia behutsam die empfindlichen Gelenke ein. Dann kniete sie vor ihr nieder und nahm ihre Hände.
»Mutter, ich danke dir für dein Vertrauen. Ich habe alles gewissenhaft aufgezeichnet, was du mir gesagt hast, aber nicht, weil ich davon Gebrauch machen möchte, sondern nur, weil du es so wolltest. Bis auf das, was du mir heute anvertraut hast, das werde ich nicht aufschreiben, das bleibt unser Geheimnis. Mutter, du brauchst keinen Ehemann
für mich zu suchen. Ich habe mich schon vor längerer Zeit entschlossen, mein Leben dem Dienst Gottes zu weihen. Ich bin mir mit meinen Geschwistern einig, daß ich mich um dich kümmern werde, solange du atmest. Wenn du meiner Fürsorge eines Tages nicht mehr bedarfst, werde ich zu den Ursulinen gehen.«
Sophia richtete sich jäh auf und starrte ihre Tochter
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