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Die Tote

Die Tote

Titel: Die Tote
Autoren: Marion
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Jugendamt ihn mir wegnehmen?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Charlotte. »Nach meiner Information ist für das Jugendamt das Wohlergehen des Kindes am wichtigsten.«
    Seltsamerweise lächelte das Mädchen. »Das ist gut. Das ist mehr als bei manchen Eltern.«
    »Schon möglich.« Charlotte warf Sabrina einen forschenden Blick zu. »Ihre Mutter ist unterwegs, um Sie nach Hause zu holen, hat man Ihnen das gesagt?«
    »Ph, meine Mutter.« Sabrina machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn die erfährt, dass ich ein Kind hatte, dreht sie durch.« Sie schwieg einen Moment. »Vielleicht ganz gut, dass er nicht mehr da ist.«
    »Was machen Sie eigentlich so? Beruflich, meine ich«, fragte Charlotte.
    »Ach, meine Mutter will unbedingt, dass ich die Pension übernehme, und hat mich zu einer Ausbildung überredet. Hotelfachfrau. Aber dazu hab ich keine Lust, da muss man am Wochenende arbeiten.«
    »Wozu haben Sie denn Lust?«
    Sabrina zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht.«
    Schweigend gingen sie nebeneinanderher. »Was hat sich dort in der Wohnung alles abgespielt?«, fragte Charlotte.
    Sabrina blieb stehen. »Er … er hat mich festgebunden und nicht mehr rausgelassen. Und dann hat er …«
    »Hat er Sie vergewaltigt?«
    Das Mädchen antwortete nicht gleich. »Kann ich eine Zigarette haben?«, fragte sie dann. »Sie haben mich nicht rauchen lassen während der Schwangerschaft.«
    Charlotte sah sich um, ging zu einem jungen Pärchen und kaufte für fünfzig Cent eine Zigarette. Sabrina ließ sich Feuer geben und sog genießerisch den Rauch ein.
    »Mein Gott, das hab ich so vermisst.«
    Das Pärchen blickte befremdet auf die wunden Fingerkuppen der jungen Frau.
    Charlotte nahm ihren Arm und führte sie weiter.
    »Also, hat er Sie vergewaltigt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Sabrina. »Ist das eine Vergewaltigung, wenn man anfangs will und dann nicht mehr will und er sagt, so ginge das nicht?«
    »Oh ja«, stellte Charlotte fest.
    »Dann hat er mich wohl vergewaltigt.«
    »Warum hat man Sie entführt?«
    »Na ja, nachdem Janina nicht mehr da war …«
    »Haben Sie zusammen in der Wohnung gelebt?«, fragte Charlotte.
    »Ja, ein Zimmer hatte Thomas, eins hatte Janina und das dritte ich.«
    »Wie war sie, Janina?«
    Sabrina schürzte die Lippen. »Ich weiß nicht, irgendwie komisch. Sie war total verrückt nach Jungs.«
    »Wo haben Sie entbunden?«
    »Sie ist mit mir weggefahren, in eine Wohnung irgendwo auf dem Land. Ich weiß nicht, wo. War mir auch egal.«
    »Wer?«
    »Na, Sonja. Die ist doch Hebamme.«
    »Frau Meiler ist Hebamme?«
    »Ja, jedenfalls hat Thomas das gesagt.«
    Sabrina drückte ihre Zigarette aus und begann an ihren Fingerkuppen zu beißen.
    »Lassen Sie das!«, sagte Charlotte ein bisschen schroff.
    Sabrina erschrak und steckte ihre Hände unter die Achseln.
    »Ja, das hat ihn auch immer zur Weißglut gebracht, aber … wissen Sie, es tut irgendwie gut.«
    »Nicht wirklich«, gab Charlotte zurück. »Warum hat man Sie entführt?«
    Sabrina blickte zum Himmel. »Wissen Sie, wie lange ich nicht mehr im Freien war? Schon fast zwei Monate.«
    Charlotte schwieg.
    »Da war noch jemand«, beantwortete Sabrina dann Charlottes Frage. »Eine neue Frau. Sie wollten nicht, dass ich sie sehe. Und ich wollte mein Kind zurück und nur noch weg. Ich hab gesagt, dass ich sie verrate, wenn ich ihn nicht zurückbekomme. Und dann bin ich irgendwann in diesem Keller aufgewacht. Mit … mit diesem Polizisten. Jedenfalls hat er gesagt, er wäre Polizist, aber er war genauso gefangen wie ich.« Sie setzten sich auf eine Bank. »Ich hatte solche Angst, dass ich sterben muss. Und anfangs hatte ich auch Angst vor dem Polizisten. Aber … er war nett. Er hat mich in Ruhe gelassen. Und dann hat er sich vor mich gestellt, als Thomas mich erschießen wollte.«
    Sie fing an zu weinen, und Charlotte legte den Arm um sie.
    »Ich hätte nie gedacht, dass mal jemand so was für mich tun würde«, schluchzte sie.
    Charlotte hatte genug gehört. Sie saß still neben der jungen Frau, die wieder anfangen wollte, an den Fingern zu beißen. Charlotte umfasste ihre Hände und hielt sie fest.
    »Sie brauchen das nicht, glauben Sie mir«, sagte sie, und die beiden blieben noch eine Weile sitzen. Die eine schluchzend, die andere tief in Gedanken.
    In der Direktion empfing sie ein aufgeräumter Ostermann. »Sehen Sie, Frau Wiegand, da war doch die ganze Aufregung umsonst«, sagte er doch tatsächlich und machte Charlotte damit
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