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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn
Autoren: Edith Kneifl
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Nähe Pistolenschüsse abfeuerte, und schmierte ihren kahl geschorenen Kopf mit Zugsalbe ein. Die Güsse mit eiskaltem Wasser mitten im Winter überlebte sie nicht. Sie starb vor nunmehr fast drei Jahren an einer Lungenentzündung. Vera sprach damals von Mord.
    Dorothea war nach dem Tod ihrer Mutter allein in der Zwei-Zimmer-Wohnung in der Josefstadt geblieben und hatte als Gasthörerin eifrig Vorlesungen an der Medizinischen Fakultät besucht. Auf einen ordent­lichen Studienplatz in Wien hatte sie aber keine Aussicht. Vor einem halben Jahr hatte ihr Vermieter, nachdem sie seine lästigen Annäherungsversuche energisch abgewiesen hatte, plötzlich kein alleinstehendes junges Frauenzimmer mehr in seinem Haus haben wollen. Daraufhin war Dorothea zu ihrer Patentante Vera von Karoly gezogen.
    Gustavs Verhältnis zu Dorothea konnte man nicht gerade als entspannt bezeichnen. Valerie Palme hatte ihre Freundin Vera fast jedes Jahr mit ihrer Tochter in Wien besucht. Gustav hatte damals oft mit der Kleinen gespielt oder auf sie aufgepasst, wenn die beiden Damen zu sehr ins Gespräch vertieft gewesen waren und auf das Mädchen fast vergessen hatten.
    Als Kleinkind hatte er sie entzückend gefunden und sich gefreut, wenn sie über seine Grimassen und Blöde­leien gelacht hatte. Heute stritten sie oft über Gott und die Welt und hatten nur mehr selten Spaß miteinander. Obwohl – Dorotheas perlendes Lachen gefiel Gustav heute noch. Aber er fühlte sich von der um elf Jahre jüngeren Frau nicht ernst genommen, da sie des Öfteren und meist zu den unpassendsten Gelegenheiten über ihn lachte.
    Der böhmische Kutscher Edi, der früher zur Untermiete bei ihnen gewohnt hatte, musste, solange Dorothea bei ihnen weilte, in den Stallungen schlafen. Edi hatte ohnehin fast nie die Miete bezahlt.
    Dorothea würde eines nicht allzu fernen Tages von einer Großtante väterlicherseits ein kleines Vermögen erben. Einstweilen erhielt sie nur eine monatliche Rente. Sie bestand jedoch darauf, für Essen und Unterkunft einen Beitrag zu leisten. Vera schämte sich, dass sie von ihrem Patenkind Geld annahm. Aber sie waren darauf angewiesen, denn das Wasser stand ihnen bis zum Hals. Mit Gustavs Einkünften aus seinen detektivischen Ermittlungen bestritten sie momentan mehr schlecht als recht ihren Lebensunterhalt. Vera schrieb Artikel für die Österreichische Illustrierte und redigierte Dissertationen reicher, aber fauler Studenten. Die mickrigen Honorare, die sie dafür bekam, gingen für Sonderausgaben wie Konzertkarten, Bücher und Kleidung drauf. Wäschermädeln und Weißnäherinnen wollten ebenso bezahlt werden wie Kutscher und Dienstmänner, die man hin und wieder gezwungen war, in Anspruch zu nehmen.
    Zum Glück führte ihnen Josefa, Gustavs ehemaliges Kindermädchen, den Haushalt praktisch gegen Kost und Logis. Sie bekam zwar fast jeden Monat ihren Lohn ausgezahlt, aber die paar Kronen gab sie meistens im Delikatessengeschäft aus. Denn Gustav war in ihren Augen viel zu dünn. Schon als Kind war er ein schlechter Esser gewesen und bis heute äußerst heikel. Nur das Beste vom Besten war ihrer Meinung nach gerade gut genug für ihren Liebling. Dazu kam sein empfindlicher Magen, den er von seinem Großpapa geerbt hatte. Die alte Frau lebte in der ständigen Angst, dass er, genauso wie Albert von Karoly, ein Magengeschwür bekommen könnte.
    Dorothea pflegte sich hin und wieder über Josefas Fürsorglichkeit lustig zu machen, die in ihren Augen schwer übertrieben war. Sie beteuerte manchmal, dass sie ja irgendwann einmal relativ wohlhabend sein würde und Josefa dann ihrem geliebten Gustav täglich ein zartes Filetstückchen oder gar Beluga-Kaviar servieren könne.
    Gustav musste an Dorotheas Spötteleien denken, als Josefa ihn nötigte, ein paar Löffel warme Hühnersuppe zu sich zu nehmen. „Du hustest schon wieder“, sagte sie, die selbst unter schwerem Asthma litt.
    „Raucherhusten, das weißt du doch.“
    „Du musst viel Milch trinken. Das ist gut für die Lunge.“
    „Bitte, Josefa, lass mich in Frieden. Mir ist heute nicht nach Essen zumute.“
    Josefa verzog das Gesicht.
    „Sei nicht immer gleich beleidigt. Ich hab’s nicht bös gemeint. Unsere Kaiserin ist ermordet worden, ich bekomme jetzt keinen Bissen hinunter!“
    Die alte Frau wandte sich ab und begann mit dem Geschirr zu klappern.
    „So hilf mir doch, Vera“, bat er seine Tante, die das Geplänkel amüsiert verfolgt hatte.
    „Ich werde mich hüten“, sagte sie
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