Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
er mir den Rücken zu und sagte über
    die Schulter:
    »Ich gebe Ihnen genau drei Minuten. Weiß der Himmel, warum!«
    Dann schoß er über den Läufer, an Miss Fromsetts Tisch vorbei, riß seine Tür auf und ließ sie mir fast ins Gesicht fallen.
    Auch das schien Miss Fromsett zu amüsieren, doch meinte ich ein
    winziges überlegenes Lächeln in ihren Augen zu bemerken.
    Sein Privatbüro war in allem so, wie ein Privatbüro zu sein hat. Es
    war langgestreckt und dämmrig und still und vollklimatisiert, und die Fenster waren geschlossen und die grauen Jalousien halb heruntergelassen, um die Juliglut fernzuhalten. Graue Vorhänge paßten genau zu den grauen Möbeln. In einer Ecke stand ein großer Safe in
    Schwarz und Silber mit einer genau dazu passenden flachen Reihe von Aktenständern. An der Wand hing die gewaltige, kolorierte
    8
    Fotografie eines älteren Kompagnons mit hartem Schnabel, Backen‐
    bart und Stehkragen. Der Adamsapfel, der sich durch diesen Kragen
    zwängte, wirkte härter als normalerweise ein Kinn. Auf einem
    Schild unter dem Bild stand: ›Mr. Matthew Gillerlain, 1860‐1934.‹
    Derace Kingsley stolzierte munter hinter seinen Chefschreibtisch, der mit seinem Preis von 800 Dollar ungeniert protzte, und pflanzte
    sich in einen hohen Ledersessel. Er fischte sich eine Panatela‐Zigarre
    aus einem kupferbeschlagenen Mahagoni‐Kistchen, spitzte sie an
    und setzte sie mit einem wuchtigen Tischfeuerzeug aus Kupfer in Brand. Er ließ sich Zeit dabei. Um meine Zeit schien er sich kaum Sorgen zu machen. Als er mit allem fertig war, lehnte er sich zurück,
    blies ein wenig Rauch in die Luft und sagte:
    »Ich bin Geschäftsmann. Ich kann mich nicht mit Albernheiten
    aufhalten. Sie sind Detektiv, haben eine Lizenz, wie ich Ihrer Karte
    entnehme. Können Sie sich irgendwie ausweisen?«
    Ich zog meine Brieftasche heraus und gab ihm das Nötige. Er sah
    sich meine Papiere an und reichte sie mir dann über den Tisch zu‐
    rück. Meine Lizenz in ihrer Zellophanhülle fiel dabei zu Boden, für
    ihn kein Grund, sich zu entschuldigen.
    »Ich kenne M’Gee nicht«, sagte er. »Aber ich kenne Sheriff Peter‐
    sen. Ich hatte ihn nach jemand gefragt, der zuverlässig etwas für mich erledigen könnte. Sie sind dieser Mann, nehme ich an.«
    »M’Gee ist bei der Unterabteilung des Sheriff‐Büros in Holly‐
    wood«, sagte ich. »Sie können das überprüfen.«
    »Nicht nötig. Ich glaube, Sie sind mein Mann. Aber kommen Sie mir nicht wieder komisch! Und merken Sie sich: Wenn ich einen Mann engagiere, dann ist das mein Mann. Dann macht er genau
    das, was ich ihm sage, und hält im übrigen den Mund. Oder er fliegt
    sehr schnell raus. Ist das klar? Ich hoffe, ich bin nicht zu grob zu Ihnen.«
    »Wie war’s, wenn wir diese Frage noch offen ließen?« sagte ich.
    Er runzelte die Stirn. Dann sagte er scharf: »Was verlangen Sie?«
    9
    »Fünfundzwanzig pro Tag plus Spesen. Acht Cent pro Meile für
    mein Auto.«
    »Unmöglich«, sagte er. »Viel zu teuer. Fünfzehn pro Tag, pau‐
    schal. Das ist eine Menge. Ich bin bereit, auch das Meilengeld zu zahlen, innerhalb vernünftiger Grenzen. Jedenfalls, wie die Dinge bisher liegen. Aber keine Vergnügungsreisen!«
    Ich stieß eine kleine graue Wolke Zigarettenrauch in die Luft und
    zerfächelte sie mit der Hand. Ich sagte nichts. Er schien etwas erstaunt, daß ich nichts sagte.
    Er beugte sich über den Tisch und deutete mit seiner Zigarre auf
    mich. »Noch habe ich Sie nicht engagiert«, sagte er, »aber wenn ich
    es tue, handelt es sich um einen absolut vertraulichen Auftrag. Über
    den Sie auch nicht mit Ihren Freunden von der Polizei reden können. Ist das klar?«
    »Worum handelt es sich denn, Mr. Kingsley?«
    »Machen Sie sich unnötige Sorgen? Sie erledigen doch alle Detek‐
    tivarbeiten, oder nicht?«
    »Keineswegs alle. Nur einigermaßen anständige.«
    Er starrte mir in die Augen, die Kinnbacken waren angespannt.
    Seine grauen Augen wirkten stumpf.
    »Zum Beispiel übernehme ich keine Scheidungssachen«, sagte ich.
    »Und ich nehme hundert Dollar Vorschuß. Jedenfalls von Leuten,
    die ich nicht kenne.«
    »Gut, gut«, sagte er mit plötzlich sanfter Stimme. »Schon gut.«
    »Und was Ihre Frage angeht, ob Sie zu grob zu mir sind«, sagte ich. »Die meisten meiner Klienten weinen am Anfang entweder
    mein Hemd naß oder schnauzen mich an, um zu zeigen, wer der
    Boss ist. Aber in der Regel werden sie – am Ende alle ziemlich ver‐
    nünftig – das heißt, wenn sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher