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Die Tote am Watt

Die Tote am Watt

Titel: Die Tote am Watt
Autoren: Gisa Pauly
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gegenüberstehen und über ihre Angst lachen. Und lachen würde sie auch, wenn Andresen dann erfuhr, dass sie die Schwiegermutter des Hauptkommissars war. Würde sie wirklich lachen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
    Der Parkplatz, auf dem Ulla Andresen ihr Leben gelassen hatte, war leer. Warum parkte Andresen ausgerechnet hier? Er schien nicht daran zu denken, dass das Stück Himmel über der Braderuper Heide das Letzte gewesen war, was seine Frau vor ihrem Tod gesehen hatte.
    Mamma Carlotta blickte sich um, als Andresen das Auto abstellte. »Ich sehe keinen einzigen Polizeiwagen.«
    Andresens Gesicht blieb unbewegt. »Herr Wolf hat gesagt, er sei mit seinen Leuten bei der Kiesgrube in der Nähe der Kläranlage. Wahrscheinlich haben sie dort die Wagen geparkt.«
    »Warum fahren wir nicht auch dahin?«
    »Es ist ja nur ein kurzer Fußweg.« Andresen zeigte auf einen Pfad, der vom Parkplatz wegführte. »Nur zwei- oder dreihundert Meter.«
    Mamma Carlotta lief voraus, Andresen folgte ihr eilig, bis er auf gleicher Höhe war, dann zwang er ihr seinen Schritt auf. Er sagte kein Wort, hatte die Hände in die Taschen seiner Jacke versenkt und hielt den Blick auf dem Boden. Erst als sie an einer Weide entlanggingen, auf der zwei Pferde standen, sah er auf. »Zur Kiesgrube geht es hier entlang«, sagte er und stieg eine kleine Böschung hoch.
    Carlotta kletterte ihm hinterher und atmete tief durch, als sie sich auf einer Erhebung wiederfand, die einen weiten Ausblick bot. Die Grube, die sich zu ihren Füßen auftat, war gewaltig. Auf ihrem Grund sah sie einige große Fahrzeuge stehen, Radlader, Planierraupen, Muldenkipper, gearbeitet wurde dort jedoch zurzeit nicht. Sie sah sich um, blickte zur Kläranlage jenseits der Kiesgrube, zur Mülldeponie daneben, über der Schwärme von Möwen kreisten. »Wo ist die Polizei?«
    Sie wandte sich Andresen zu – und erschrak zu Tode. Leblose Fischaugen glotzten sie an. Sah Andresen sie überhaupt? Oder starrte er durch sie hindurch?
    Seine Stimme klang so müde, als langweilte ihn das, was nun gesagt werden musste. »Sie schnüffeln herum, Frau Rocchi. Was wollten Sie Hauptkommissar Wolf sagen, als Sie versucht haben, ihn anzurufen?«
    Mamma Carlotta war unfähig zu antworten. Björn Mende war der Mörder! Per DNA -Test überführt! Warum also machte Andresen ihr Angst?
    »Sie haben sich bei mir eingeschlichen«, fuhr Andresen fort. »Sie wohnen weder im Dünenhof noch im Nachbarhaus.« Immer noch klang seine Stimme, als sei ihm dieses Gespräch von Herzen zuwider. »Was hätten Sie Hauptkommissar Wolf erzählt, wenn wir ihn wirklich hier angetroffen hätten?«
    Mamma Carlotta drehte sich in alle vier Himmelsrichtungen. Nirgendwo war ein Auto zu sehen, von Erik und seinen Leuten keine Spur. Hinter ihr lag der Weg verlassen da, und auf der anderen Seite der Kiesgrube war kein Mensch zu sehen.
    »Was haben Sie mit mir vor?«, fragte sie mit zitternder Stimme. Sie drehte sich zu Andresen und stellte fest, dass er die Wäscheleine aus der Tasche gezogen hatte. Entsetzt wich sie zurück. »Was wollen Sie?«
    »Sie wissen doch, worum es mir geht.« Andresen legte die Seilenden sorgfältig aufeinander und straffte die doppelte Leine, in der es keine Spiralen gab, nur Parallelität. »Es geht mir um meine Tochter. Nur um sie. Ich will, dass sie gesund wird. Danach ist mir alles egal. Und ich will, dass sie die Angst vor dem bösen Wolf verliert. Wenn es niemanden mehr gibt, der ihr einredet, der Wolf sei böse, dann wird alles gut. Vielleicht kann ich nächste Woche mit Saskia nach Boston fliegen.«
    In Mamma Carlotta fiel eine Gewissheit nach der anderen zusammen. »Was haben Sie vor?«
    »Erst einmal beantworten Sie meine Fragen.« Andresen lachte, ohne die Mundwinkel zu heben, ohne seinen Gesichtsausdruck zu verändern. »Raus mit der Sprache! Wer sind Sie wirklich? Und was haben Sie herausgefunden?«
    »Warum haben Sie mich hierher gelockt?« Mamma Carlotta starrte gebannt auf die Leine zwischen seinen Händen, die sich straffte, lockerte, straffte, lockerte.
    »Wann hören Sie endlich auf, meine Fragen mit Gegenfragen zu beantworten? Ich will wissen, wer Sie sind. Was wollen Sie von mir? Und was wissen Sie?«
    »Ich hab’s Ihnen doch erzählt«, versuchte sie es verzweifelt. »Das Nichtstun gefällt mir nicht. Ich brauche Beschäftigung. Auch im Urlaub …«
    »Ich glaube Ihnen kein Wort!«, fuhr Andresen sie an. Wieder straffte er die Leine und zeigte ihr, wie stark sie war.
    Mamma
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