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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin
Autoren: Brigitte Janson
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Drohen. Und als sie endlich wiederkam, mehr als ein halbes Jahr später, wirkte sie verändert, älter und schmaler, mit einem dunklen Schatten in den Augen, der vorher nicht da gewesen war. Mathilde hatte nie herausgefunden, was in der Zeit ihrer Abwesenheit mit Greta geschehen war.
    Inzwischen hatte der Abstieg der Familie begonnen. Alle Ersparnisse waren verbraucht, die schöne Wohnung musste aufgegeben werden, bald gab es nur noch einmal im Monat Fleisch oder Fisch auf dem Tisch. Viola musste frieren, weil das Geld für Feuerholz fehlte, ein Kleid wurde so lange geflickt, bis es auseinanderfiel. Für Greta hattedie Mutter eine höhere Schulbildung erträumt, aber nun musste ihre geliebte Tochter arbeiten gehen. Für Viola Voss war dies die größte Schande, aber Greta empfand es als eine Befreiung.
    Das Schweigen zwischen Mathilde und Greta dauerte schon viel zu lange. Selbst die Küchenmädchen waren verstummt.
    Â»Du hast mir doch alles beigebracht«, wiederholte Greta im Flüsterton, trotzdem hallte ihre Stimme in der stillen Küche laut wie ein Echo in den Bergen wider.
    Mathildes Augen funkelten – ob vor Zorn oder vor Traurigkeit, vermochte Greta nicht zu beurteilen. »Beim lieben Herrgott, das ist wahr. Ich habe dich zu mir in die Lehre genommen, weil dein armer Vater auf See verschollen ist. Ich glaubte, ich sei es meinem Bruder schuldig, für dich und seine kränkliche Frau zu sorgen. Und das ist nun der Dank! Du machst mir nur Schande.«
    Augenblicklich meldete sich bei Greta das schlechte Gewissen. Sie gab nach, schnell und kampflos, wie es ihre Art war. »Verzeih, Tante. Ich wollte gewiss nicht unhöflich sein.«
    Mathilde Voss, im Grunde ihrer Seele ein herzensguter Mensch, ließ die Arme sinken. »Nun gut. Aber lass dir einen Rat geben. Halte dich fern vom schönen Christoph Hansen.«
    Greta lief dunkelrot an. »Der junge Herr und ich sind nur … wir …«
    Â»Ihr kommt aus zwei verschiedenen Welten, begreif das doch. Christoph ist der jüngste Sohn in einer Dynastie von Bankiers, und du, mien Deern, bist nur die Tochter einesSeemanns aus Altona. Was glaubst du wohl, wohin so etwas führt?«
    Greta senkte den Kopf. Ihr war, als hätte die Tante diesmal ihr einen Schlag mit dem Nudelholz verpasst.

2
    B rrrr«, rief Siggo laut. »Ganz ruhig, meine Dicken.« Aber Max und Moritz, die beiden Kaltblüter im Geschirr, warfen ihre kräftigen Köpfe hoch und wieherten nervös. Keine zwei Meter vor ihnen donnerte eines dieser Automobile vorbei. In der Zeitung wurde so ein Ding als lärmender, übelriechende Dünste und Staubwolken verursachender Karren bezeichnet, der die öffentliche Sicherheit gefährde.
    Siggo war nicht mit allem einverstanden, was in den Altonaer Nachrichten stand, aber in diesem Punkt gab er dem Blatt recht: Automobile waren eine Plage der Menschheit. Wie zum Teufel sollte er vom Hafen heil zurück in die Georgstraße kommen, wenn ihm schon hier an der Palmaille eines dieser knatternden Fahrzeuge begegnete? Er zog fest die Fahrleine an und sprang vom Kutschbock seines Fuhrwerks. Die Pferde schnaubten und rollten mit den Augen.
    Â»Ist ja gut«, sagte Siggo mit fester Stimme. »Euch passiert nichts.« Schon bedauerte er es, nicht die beiden schweren belgischen Kaltblüter angespannt zu haben. Die waren nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Aber Max und Moritz, seine fuchsfarbenen Schleswiger, besaßen mehr Temperament und eigneten sich deshalb besser für einen schnellen, kurzen Transport wie diesen. ZwanzigSack bester Kaffee aus Brasilien für den Großhändler Müller an der Wilhelmstraße.
    Â»In zwei Stunden muss die Ware am Lager sein«, hatte der Bote ausgerichtet. Er war nur ein magerer Junge, und seine abgerissene Kleidung schlotterte an seinem Körper, aber die Wichtigkeit des Auftrags ließ seine Augen leuchten. »Sonst wendet sich der Herr Kommerzienrat Müller das nächste Mal an Oswald Lohmann, soll ich ausrichten.«
    Siggo hatte mit den Zähnen geknirscht. Lohmann war sein schärfster Konkurrent. Auf keinen Fall durfte er einen neuen Kunden wie Müller an ihn verlieren.
    Â»Wird erledigt«, hatte er deshalb zu dem Laufburschen gesagt und war in den Stall gerannt, um Max und Moritz anzuspannen. Der Junge hatte sich auf einen Strohballen gesetzt und ihm zugesehen.
    Â»Das will ich auch einmal
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