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Die tödliche Heirat

Die tödliche Heirat

Titel: Die tödliche Heirat
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Leichentuch abzunehmen, aber dann erinnerte er sich, daß der Tote wie ein Schlafender aussehen sollte. Er hatte in seiner Laufbahn als Kriminalbeamter schon ganz andere, entsetzlich entstellte Leichen betrachten müssen. Mit einem Ruck zog er das Tuch weg und blickte in das ruhige, entspannte Gesicht eines älteren Mannes, der wirklich den Eindruck eines friedlich Schlafenden machte.
    Da er bis zum Hals zugedeckt war, sah man nicht, daß sein Leib von Doctor Donnath geöffnet und nur notdürftig mit groben Stichen wieder zugenäht worden war. Am Fußende der Bahre war die Nummer angebracht, unter welcher der Tote in dem Register der Polizei verzeichnet stand.
    Der alte Sekretär war hinter Corner getreten, der den Toten nachdenklich ansah. »Merkwürdiger Kunde, nicht wahr?« sagte er leise. »Murrey meint, daß da was nicht stimmt! Nehme an, Sie sind deswegen hier, Inspector. Er hat auch noch keinen Besuch bekommen, wie es sonst in diesem Zimmer üblich ist.«
    Stewart Bennols betrachtete die Hände des Toten, die über der Brust ineinandergefaltet waren und vom Tuch nicht bedeckt wurden. »Hat man ihm die Fingerabdrücke abgenommen?« fragte er plötzlich.
    »Das hat Division II/A schon getan.« Der Sekretär zog an seiner Zigarre. »Wollen Sie die Leiche beschlagnahmen? Dann muß sie auf Eis gelegt werden. Oder geben Sie sie zur Beerdigung frei? Letzteres wäre mir lieber, Inspector. Im zweiten Keller habe ich sowieso schon sieben Leichen tiefgekühlt liegen. Eine seit einem halben Jahr, weil Murrey immer behauptet, er brauche sie, um den Mord nachzuweisen. Nur den Mörder hat er noch nicht …« Der Alte lachte meckernd.
    Henry Corner stand vor dem Unbekannten und betrachtete sich genau dessen Gesichtszüge. Er gab nicht viel auf Fotografien. Lieber prägte er sich ein Gesicht mit allen seinen Eigenheiten selbst ein. Er vergaß dann die Miene eines Toten so schnell nicht wieder. Während er den Unbekannten ansah, dachte er an das Aktenstück, das er während der Fahrt zum Schauhaus gelesen hatte. Es war der nüchterne Bericht des Kollegen Colin Beachley, von Chief Inspector Murrey mit einigen Randbemerkungen versehen. Demnach mußte der Tote sehr wohlhabend sein. Sein Körper war gepflegt, seine Hände sahen nicht nach körperlicher Arbeit aus, seine Kleidung, seine Unterwäsche zeigten die beste Verarbeitung und waren sicherlich von ersten Firmen. Eine Spezialabteilung war bereits damit beschäftigt, trotz der fehlenden Etiketten die Hersteller anhand der Webart und anderer Merkmale zu ermitteln. Der Tod des Unbekannten war durch Herzlähmung eingetreten. Das im Magen vorgefundene Gift hatte anscheinend nicht oder zu spät gewirkt. Das Herz hatte versagt, bevor das Gift den Organismus angreifen konnte.
    »Lassen Sie die Leiche einfrieren!« ordnete Corner nachdenklich an. »Ich brauche sie noch.«
    »War gar nicht anders zu erwarten.« Der Sekretär nickte. »Daß ihr es immer so gründlich macht. Einer mehr oder weniger tot … Fällt das in diesen Zeiten überhaupt noch auf?«
    Bennols zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. Er hatte Sehnsucht nach der frischen Frühlingsluft, die draußen wehte, und nach der Sonne, die selbst den monumentalen Anblick der hohen Wolkenkratzer verzauberte.
    »Gut, daß Sie kein Staatsmann geworden sind«, sagte er und ging zum Ausgang, während Corner den Toten wieder zudeckte und danach seine Hände in einer Schüssel mit Karbolwasser wusch.
    »Lassen Sie niemanden an den Toten«, sagte der Inspector sehr bestimmt. »Nur Murrey natürlich. Aber keine etwaigen Verwandten, Freunde oder Bekannten, wenn sich welche melden sollten. Auch Doctor Donnath darf ihn natürlich sehen. Aber sonst keiner!«
    »Verstehe«, nickte der Sekretär. »Und wie ist es mit der Presse? Die Brüder rennen mir das Schauhaus ein!«
    »Auch die Presse nicht! Und wenn es noch so großen Protest gibt!«
    »Wie Sie wollen, Inspector.«
    Der alte Sekretär, dessen Leben aus dem täglichen Umgang mit Leichen bestand, sah den beiden Beamten nach, als sie über den Hof des Präsidiums zu ihrem Wagen gingen. Dann trat er zurück in den kahlen, kalten Raum und drückte auf eine Klingel, die sich an der Wand neben dem Tisch mit der Karbolwasserschüssel befand. Wenig später traten zwei Arbeiter aus dem Fahrstuhl.
    »Nummer vier auf Eis«, befahl der Sekretär. »Und gut einfrieren – kann lange dauern, ehe wir den wieder weggeben können.«
    Er drückte seinen Zigarrenstummel aus und sah mit gleichgültigem
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