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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune
Autoren: Silvia Stolzenburg
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endlosen Qualen gestammelte Worte zu bestätigen – dann war er seinen Verletzungen erlegen. Gemäß dem Befehl des Dogen aus Venedig war Cassio zum neuen Provveditore der Insel ernannt worden. Jago drohten das Militärgericht und die Hinrichtung.
     
    Die grelle Sonne, die an einem – nach dem schrecklichen Orkan der vergangenen Nacht – blank geputzten Himmel stand, war von den dicken Brokatvorhängen des Ratssaales ausgesperrt worden, kurz bevor der gefallene General vor die Versammlung geführt wurde. „Christoforo Moro“, hub Bragadin an, der den verwundeten Cassio vertrat, welcher sich zurückgezogen hatte, um seine Verletzung behandeln zu lassen. „Ihr habt Glück im Unglück.“ Erstaunt blickte Christoforo in die Runde. Müde und erschöpfte Gesichter waren ihm zugewandt, in denen von Verachtung bis Mitleid alle Gefühle zu lesen waren. „Cassio erhebt keine Anklage gegen Euch. Unter der Bedingung, dass Ihr so bald wie möglich Zypern verlasst und nach Venedig zurückkehrt.“ Christoforo traute seinen Ohren kaum. Er war solch ein Narr gewesen! Sollte man ihm tatsächlich all die Torheit vergeben? „Ab sofort seid Ihr Eurer Pflichten enthoben“, fügte Bragadin der Urteilsverkündung hinzu.

Kapitel 44
     
Zypern, ein offener Platz vor der Stadtmauer, 1. August 1571
     
    Zwei Tage später kapitulierte die Stadt. Cassio humpelte auf einen Stock gestützt den flachen Abhang hinauf auf die osmanische Delegation zu. Sie wurde vom Kommandanten Mustafa Pascha persönlich angeführt, der auf einem Araberhengst thronte, welcher beim Anblick der sich nähernden Abgesandten nervös zu tänzeln begann. Die Venezianer hatten auf den verbliebenen Bastionstürmen weiße Flaggen gehisst. Und als der Feind durch das Senken seiner Standarte seine Verhandlungsbereitschaft signalisiert hatte, hatten die Belagerten die Stadttore geöffnet.
     
    „Es ist eine Ehre, Euch kennenzulernen“, sagte der Aga , nachdem er Cassio und Bragadin mit einem huldvollen Nicken begrüßt hatte. Er glitt mit der Leichtfüßigkeit eines jungen Mannes aus dem Sattel, und gegen seinen Willen musste Cassio sich eingestehen, dass er den geschmeidigen und kompetenten Kommandanten bewunderte. Wenn der erste Eindruck nicht täuschte, hatte er einen Ehrenmann vor sich, und vielleicht würde die Stadt glimpflich davonkommen.
     
    *******
     
Zypern, ein Militärpavillon vor den Toren Famagustas, 1. August 1571
     
    Venezianer! Das Lager wimmelte förmlich von Venezianern. Elissa konnte ihre Aufregung kaum verbergen. Ihr waren Gerüchte zu Ohren gekommen, dass ihre Landsleute eine Delegation geschickt hatten, um die Bedingungen der Kapitulation zu verhandeln. Aber sie hatte es erst geglaubt, als sie den jungen Mann in der Uniform des Provveditore auf Mustafa Paschas Zelt hatte zuhinken sehen. Außer ihm wurde lediglich einem weiteren Venezianer der Zutritt in das prächtige Zelt gestattet. Alle anderen mussten in der glühenden Sonne warten, die von einem wolkenlosen Himmel herablachte, als wäre der Gewittersturm der vergangenen Nacht nichts weiter als ein schlechter Traum gewesen. Sie hatte kein Auge zugetan, bis sich schließlich am frühen Morgen das Heulen des Windes aufs offene Meer zurückgezogen hatte. Neslihan hatte vor Furcht in Elissas Armen gewimmert. Die Nähe des beruhigend warmen Körpers ihrer kleinen Gefährtin hatte auch ihr selbst Trost gespendet.
     
    Dies könnte ihre letzte Möglichkeit zur Flucht sein! Mit so vielen Fremden im Lager – der Krieg offiziell beendet – würde die Wachsamkeit der Janitscharen minimal sein. Die venezianischen Kriegsgefangenen waren immer noch in dem Verschlag zusammengepfercht, doch sie würden sicherlich bald freigelassen werden. Wenn sie sich unter den Männern verbergen konnten, würden die Wachen keinen Verdacht schöpfen. Sie würden nur einige Veränderungen an den Kleidern vornehmen müssen, sodass sie italienischer wirkten.
     
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Zypern, ein Militärlager vor den Toren Famagustas, 3. August 1571
     
    Innerhalb eines einzigen Tages waren sämtliche Bedingungen festgelegt und unterzeichnet worden, und man war übereingekommen, dass die Bewohner Famagustas begnadigt würden. Der osmanische Aga hatte einen berittenen Boten nach Larnaka geschickt, um dafür zu sorgen, dass vierzig Schiffe in den Hafen gebracht wurden. Diese sollten die Garnison und alle Einwohner, die die Stadt verlassen wollten, samt Waffen und Besitztümern nach Kreta transportieren. Die türkischen
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