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Die Tochter des stählernen Drachen

Die Tochter des stählernen Drachen

Titel: Die Tochter des stählernen Drachen
Autoren: Michael Swanwick
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State-Champagner aus Erlenmeyerkolben, und Jane weinte beim Gedanken daran, alle ihre neuen Freunde verlassen zu müssen. Aber sie ging.
    Da kamen die Dinge wirklich in Schwung.
    Im Rahmen eines Crash-Kurses für vielversprechende Studenten erhielt sie von der Carnegie Mellon-Universität ihren Bakkalaureus und Magister. Ihre Promotion war beträchtlich schwieriger, weil ihre Betreuerin der Ansicht war, daß ein Doktorand, so gut er ja auch sein mochte, es stets besser machen sollte. »Wenn wir uns mit dem Guten begnügen«, sagte Martha Reilly gern, »opfern wir nur die Chance, großartig zu sein. Aber wenn wir uns mit großartig begnügen, werfen wir die Chance weg, ein erstklassiger Chemiker zu werden!« Reilly war ein Tyrann und piesackte Jane, bis sie bessere Arbeit leistete, als sie sich je zugetraut hätte. Immer öfter merkte sie, daß sie sich verrannt hatte. Es mußte etwas Grundlegendes sein, wobei die Sprache der Chemie und ihr intuitives Wissen, wie sie funktionieren sollte, einfach nicht zusammenkamen.
    Flüchtig brachte sie einige Dinge zu Papier. Das sollte ihr dabei helfen, die Gedanken zu sortieren. Ihre Betreuerin bekam sie zu Gesicht und schlug vor, sie sollte die Skizzen zur Grundlage ihrer Theorie machen. Also geschah es.
    Reilly brachte sie dazu, fünfmal ganz von vorn anzufangen.
    Am Tag nach dem Rigorosum schaute Diane herein und teilte mit, es gäbe eine Party in Squirrel Hill. Es war die Abschiedsfete für einen jungen Physikdozenten, den sie kannte, und es sollten auch Studenten von Pitt und Chatham dort sein, also nicht bloß der übliche Verein. Jane war mit ihr einer Meinung, daß es keine bessere Gelegenheit gebe, sich einen anzutrinken und sich daneben zu benehmen. Sie zog sich einen sauberen Rock an, und ergriff ihre Handtasche.
    Der Parkplatz, den Diane für ihren Miata fand, lag nur wenig näher zum Schenley-Park als zu der Party. Als sie ausstiegen, hielt Jane beim Geruch nach Geißblatt einen Augenblick lang inne. Es ist Frühling, dachte sie verwundert. Nein, Sommer. Wie rasch die Zeit vergangen war. Sie schloß die Wagentür, und der Knopf der Verriegelung sprang hoch. Sie versuchte es erneut.
    »Da stimmt was mit dem Mechanismus nicht«, sagte Diane. »Man muß sie von außen abschließen. Hier, fang auf!«
    Jane versuchte, die Schlüssel mit der rechten Hand zu fangen, und stieß sie zu Boden. Sie war jetzt Linkshänderin; manchmal vergaß sie das.
    »Wie nimmt’s deine Ma auf?« fragte Diane unterwegs.
    »Nun, anfangs hieß es: ›Ich weiß nicht, wie du sogar nur in Betracht ziehen kannst, für Schweine wie Du Pont zu arbeiten.‹ Aber da ich jetzt ihr Angebot abgelehnt und mich für die akademische Laufbahn entschieden habe, heißt es: ›Jane, das kannst du nicht tun! Das ganze Geld!‹.« Jane hob die Schultern. »Sylvia ist okay. Wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten, aber wer hat die nicht? Wo findet das Ganze übrigens statt?«
    »Drei Blocks weiter.« Der Bürgersteig führte sie an einer Reihe viktorianischer Gebäude vorüber. Hausnummern aus Buntglas über den Türen und Spargelfarn in den Fenstern.
    Jane blickte auf und sah Dame Mond hoch droben am Himmel schweben. Da wurde sie von einer jähen und grundlosen Melancholie ergriffen, und sie zitterte. »Ich komme mir in dieser Welt wie ein Kind vor«, sagte sie ruhig.
    »Pscht! Das ist ein Expreßticket zurück in die Anstalt. Habe ich dir gesagt, was Roger letzten Dienstag für ein Ding drehen wollte?« Locker plaudernd führte Diane sie die Straße hinab. Als sie ihr Ziel erreicht hatten, war Janes melancholische Stimmung vorüber. »Wir sind da!« rief Diane und sagte, womit sie ein früheres Thema wieder aufnahm: »Es ist entmutigend. Warum ist es bloß so schwierig, einen guten Mann zu finden?«
    »Das hältst du für schwierig? Dann versuch mal, das Rauchen aufzugeben.«
    »Oh, hör schon auf!«
    Lachend stiegen sie die Treppe hinauf. Stimmen tönten von oben herunter. »Wenn das noch nicht die richtige Party ist, dann muß sie eben herhalten, bis was wirklich Dolles vorbeikommt«, sagte Diane und hämmerte an die Tür. Ein ziemlich angeheiterter Student mit einem Geisteswissenschaftler-Haarschnitt öffnete und sagte: »Getränke sind da drüben.«
    Sie traten ein.
    Wie vorherzusehen gewesen war, waren die Zimmer entzückend, das übliche schicke Arrangement von Raum und Mobiliar. Die Einrichtung bestand aus einer geschmackvollen Mischung von Hartholzmöbeln und postmodernen Tapeten. Überall drängten
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