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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs
Autoren: Barbara Erskine
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der Blutgier, die sie begleitet. Es kommt von Titus, aber auch von den Gefühlen des Kindes, das in den bösen Künsten geschult ist und zurückgekommen ist, um ihr Gift zu verbreiten. Und es kommt von dem Mann, der das alles unwillentlich in sich aufgenommen hat und jetzt durch die Berge streunt und sich an dieser Energie nährt. Helft mir, Marcia!« Er blickte
geradeaus vor sich, aber was er sah, waren nicht die Bäume, die Sterne oder der Stein, auf dem seine Hände ruhten, sondern er schaute direkt in die kühlen, alles sehenden Augen dieser Frau im antiken Rom. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er sich wünschte, er könnte sie kennenlernen. Er merkte, dass ihr Blick weicher wurde, und da wurde ihm klar, dass sie diesen Gedanken natürlich auch gelesen hatte.
    »Ist Titus hierhergekommen?«, flüsterte er. »Ist er Eigon zu diesem Ort gefolgt? Ist sie hierhergekommen, um die bösen Erinnerungen auszulöschen? Hat er sich ihr in den Weg gestellt und sich am Hass ihrer Schwester genährt?«
    »Schau!«, flüsterte sie zur Antwort. »Schau zu!«
     
    Es war Frühling, als Eigon und Gort schließlich Venta Silurum erreichten. Während des Winters hatten sie immer wieder bei Waldleuten Unterschlupf gefunden und waren erst weitergezogen, als es milder wurde und die Straßen passierbar waren. Sie lebten als Heiler und Lehrer, verdienten sich in jeder Gemeinschaft, bei der sie unterkamen, ihr täglich Brot, oft sang Eigon auch am Feuer ihrer Gastgeber. An Essen mangelte es ihnen nie. Gastfreundschaft war den Kelten ebenso heilig wie den Christen. Eigon war glücklich, obwohl sie keine Nachricht von Commios und Drusilla erhielt. Auch von Titus sahen sie nichts. Hier und dort stießen sie auf andere Christen und hörten Geschichten, dass Jesus als junger Mann selbst das Land der Durotriger besucht hatte und dass irgendwo dort im Tal der Äpfel eine kleine Kirche im Namen seiner Mutter Maria errichtet worden war.
    Die Stadt der Silurer war ein römischer Außenposten und bestand aus einer Festung und einem Markt auf der anderen Seite des großen Flusses Sabrina. Daran hatte Eigon keinerlei Erinnerungen. Sie spürte hier nichts von ihrer
Kindheit, und sie zogen umgehend weiter, wanderten in die Hügel auf der Suche nach den Silurergemeinschaften, die sich vielleicht an den alten König erinnerten, dessen Tochter Cerys den Helden Caradoc geheiratet hatte, und die vielleicht etwas von seiner anderen Tochter Gwladys und seinem Sohn Togodumnus wussten.
    Gort beobachtete Eigon, während sie über die Pfade wanderten, und lächelte. »Ich sehe, dass die Berge zu dir sprechen.«
    Sie musste ebenfalls lächeln. »Ich träume schon so lange von ihnen. Die sanft geschwungenen Hügel, die schwarzen Gipfel, der Duft der Blumen, das Lied des Windes in den hohen Bäumen.« Sie blieb stehen und stützte sich auf ihren Stab. »Das ist ein Land der Dichtung.«
    Er nickte.
    »Sogar die Flüsse singen.«
    Wieder nickte er. Er schaute zu ihr, spürte eine neue Leichtigkeit in ihr, und ihm selbst wurde schwer ums Herz. Vor den dunklen Tagen, die ihr bevorstanden, gab es kein Entrinnen. Er hatte zu seinen eigenen Göttern und zu ihrem Herrn gebetet, aber sie hatten ihm keine Antwort geben können. Sie würde sich hier in ihrer Heimat einer Herausforderung stellen müssen, der sie nicht entkommen konnte. Langsam ging er wieder weiter, spürte eine ihm unbekannte Mattigkeit in den Knochen. Warum spürte sie diese überwältigende Bedrohung nicht? Wie kam es, dass sie singen konnte?
    Sie folgte ihm, schritt schneller aus, um ihn einzuholen. »Das Ende meiner Suche steht bevor, nicht wahr?« Sie schaute zu ihm. »Ich spüre es im Wind, ich sehe es auf deinem Gesicht.«
    Er hob die Augenbrauen. »Ich habe mich gefragt, wann du es erahnen würdest.«

    »Ich spüre es schon eine Weile. Ich wollte mir davon nur nicht die letzte Wegstrecke unserer Reise verderben lassen. Ich dachte, wir könnten hier im Süden bleiben, beim Volk meiner Mutter, aber sie erinnern sich nicht an sie, oder wenn doch, dann nur an Schlachten und Angst und Blut. Ich muss zurück zu dem Ort, an dem alles begonnen hat. Zum Tal der Raben.«
    Er nickte.
    »Und dort werde ich Titus wieder begegnen.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Was das Schicksal bereithält, das kann ich dir nicht sagen.«
    Sie waren stehen geblieben, sahen sich an, der Wind zerzauste ihnen die Haare und wirbelte ihre Umhänge umher, während die Wolken über die Berge nach Osten rasten und große
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