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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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leichtesten hatten es die beiden Henneberger. Sie würden gemeinsam in härenen Kitteln und barfuß nach Graz pilgern und unterwegs an jedem heiligen Ort um Vergebung für ihre Sünden bitten.
    Für Ludolf von Fuchsheim, den Abt von Schöbach und Ingobert von Dieboldsheim ergab sich keine solche Möglichkeit. Der Schöbacher beschloss, seinen Posten und seinen Titel abzulegen und zum Heiligen Rock nach Trier zu pilgern, in der Hoffnung, in einem der dortigen Klöster ein neues Aufgabengebiet zu erhalten. Ludolf von Fuchsheim entfloh kurzerhand seinen Schulden und trat den Weg nach Santiago de Compostela an, um dort Vergebung zu finden. Sein Knecht, der Pratzendorfers Mitwisserschaft an Michels Tod aufgebracht hatte, begleitete ihn und berichtete später, sein Herr habe das Ziel glücklich erreicht und sei dort mit den heiligen Sterbesakramenten versehen gestorben.
    Nur der Dieboldsheimer kam weder mit seiner Schuld noch mit seinen Schulden zurecht. Er sah sich den heftigen Vorwürfen seiner Frau ausgesetzt, die ihm übelnahm, dass er sich dem Bischof angeschlossen und damit die Reichsfreiheit seines Besitzes aufgegeben hatte. Gleichzeitig schnitten ihn seine Nachbarn und hießen ihn, wie er es befürchtet hatte, einen Feigling. Als er die Situation nicht mehr ertrug, erhängte er sich eines Nachts im Stall. Daraufhin entsandte der Fürstbischof ein kleines Heer und ließ die Burg besetzen. Frau Wiburg, die vergebens nach Würzburg reiste und Herrn Gottfried auf Knien bat, ihr das Lehen für ihren ältesten Sohn zurückzugeben, musste ihre Kinder der Obhut des Fürstbischofs übergeben und zu ihrem Vater zurückkehren.
    Als schließlich die Weinstöcke wieder voller Trauben hingen und der Tag sich jährte, an dem Michel sich mit seinen Freunden auf Fuchsheim versammelt und an dem Trudi ihre Unschuld verloren hatte, deutete im weiten Umkreis nichts mehr darauf hin, dass hier vor kurzem noch Hader, Hass und Gier geherrscht hatten.
    Auf Kibitzstein war die Zeit nicht stehengeblieben, aber sie hatte die Lücke, die der Tod des Burgherrn gerissen hatte, nicht schließen können. Marie, Trudi, Hildegard und die anderen trauerten heftig um Michel, und sein Platz an der Tafel und in der Kapelle blieben fürs Erste leer.
    Falko, der sich nun Herr auf Kibitzstein nennen konnte, war mit seinem Freund Hilbrecht zu dessen Vater zurückgekehrt, um von Ritter Heinrich zu lernen, wie man seinen eigenen Besitz verwaltet und beschützt. Auch Peter von Eichenloh war mit seinen Männern weitergezogen und kämpfte Gerüchten zufolge am Rhein für seine Halbbrüder, die von ehrgeizigen Nachbarn bedrängt wurden.
    Zu ihrer eigenen Verwunderung vermisste Trudi ihn mehr, als sie es sich hätte vorstellen können. Selbst als sie sich klarzumachen versuchte, dass er der Nachkomme eines deutschen Königs war, den der jetzige König Friedrich zum Reichsfreiherrn ernannt hatte, und vom Ansehen her weit über ihr, der Tochter eines geadelten Schankwirtssohnes stand, wünschte sie sich nichts mehr, als dass er wenigstens käme, um sie zu fragen, wie es ihr und ihrer Mutter erginge. Wahrscheinlich, sagte sie sich, hatte er für ein Mädchen, das seine Ehre leichtfertig an einen Mann wie Gressingen weggeworfen hatte, insgeheim nur Verachtung übrig. Dennoch eilte sie, wenn Besucher gemeldet wurden, auf die Zinnen der Burg oder wenigstens ans Fenster, genau wie zu der Zeit, als sie noch an Junker Georgs ehrliche Absichten geglaubt hatte. Doch außer einigen Nachbarn, die sich während der Auseinandersetzungen mit dem Würzburger Heer neutral verhalten hattenund nun wieder die Verbindung zu Kibitzstein suchten, und einem Beamten des Bischofs, der Marie die Steuerschätzung für deren dem Würzburger Recht unterworfenen Außenbesitzungen überbrachte, kamen nur wenige auf die Burg. Es gab auch keine Nachricht von Eichenloh oder Hardwin von Steinsfeld, der nicht nach Hause zurückgekehrt, sondern entgegen allen Erwartungen bei Eichenloh geblieben war. Trudi schien es, als wären die beiden samt ihren Söldnern für eine Spanne ihres Lebens aufgetaucht, um dann wie durch einen Zauber zu verschwinden.
    Wenn sie die Anspannung nicht mehr aushielt, suchte sie das Häuschen im Dorf auf, in das Alika und die alte Theres mittlerweile zurückgekehrt waren. Meist begrüßte Alika sie lächelnd und fragte sie nach eher belanglosen Dingen, als wollte sie nicht an Geschehenes rühren.
    An einem außergewöhnlich schönen Spätsommertag musterte sie sie prüfend. »Du
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