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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder
Autoren: Juliet Marillier
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einem Schlag auszuweichen, und dann mit einer einzigen, fließenden Bewegung wieder aufrichtet. Beide hatten ein paar blaue Flecke davongetragen. Ich hörte Lachen. Wie hätte Diarmid es genossen, zu zeigen, wie gut er mit dem Speer war, dachte ich. Cormack wäre mittendrin gewesen, mit dem Stock in der Hand. Wir hatten von beiden kein Wort gehört; ihre Plätze am Tisch blieben leer. Dann schlich ich mich die Steintreppe hinauf, bis zu der Stelle, wo man oben auf den Dachschindeln sitzen und über den graublauen Winterwald hinausschauen konnte. Ich hatte gewusst, dass ich Finbar dort finden würde. Ich setzte mich neben ihn und zitterte ein wenig, denn der Wind war scharf.
    Sprich mit mir, mein Lieber. Mit solcher Freude im Herzen ist deine Einsamkeit schwer zu ertragen.
    Du wirst sie nicht mehr lange ertragen müssen.
    »Was?« Ich sprach laut, denn seine Worte hatten mich erschüttert. »Was meinst du damit?«
    »Es wird nicht mehr lange dauern. Es gibt für mich hier nichts mehr zu tun.«
    Wohin gehst du?
    Weg.
    Er war sehr vorsichtig; sein Geist war abgeschirmt, bis auf jene knappen Botschaften, die er mir gab.
    Warum sprichst du nicht mehr mit mir? Was ist los?
    Er bewegte sich leicht auf den Schindeln, und der Flügel öffnete sich ein wenig, um ihm Gleichgewicht zu verleihen.
    Fragst du mich das wirklich?
    Wir schwiegen. Ich konnte nicht sehen, wie seine Zukunft aussehen würde; ich wusste nur, dass er einmal darauf gebrannt hatte, die Welt zu verbessern und für Gerechtigkeit und Wahrheit zu sorgen. Dieser leidenschaftliche Junge war verschwunden, und den Mann, der seine Stelle eingenommen hatte, kannte ich nicht.
    Gibt es etwas, was du wissen wolltest?
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte beschlossen, ihn nicht nach meiner Zukunft zu fragen. Ich hoffte, sie würde gut und glücklich sein, und dass mein Mann immer an meiner Seite sein würde.
    Aber ich würde nicht fragen.
    Als wir dort saßen, kam mir ein Bild in den Sinn. Zunächst dachte ich, es sei eins, das er mir schon einmal gezeigt hatte, eins, in dem die kleine Sorcha unter den Bäumen einherrannte und das gefleckte Waldlicht auf sie fiel. Aber es war anders, denn dieses Mädchen hatte kupferfarbenes Haar, das ihr glatt auf den Rücken fiel, und ein dunkelhaariger Junge lief hinter ihr her und rief: »Niamh! Warte auf mich!« Es waren dieselben Kinder, die ich am Tag der Verbrennung im Geist gesehen hatte. Und irgendwo am Rand des Blickfelds gab es ein weiteres Kind, das mit hungrigem Blick zusah, aber diese Gestalt konnte ich nicht klar erkennen. Das Mädchen streckte die Arme aus und begann sich zu drehen, mit bloßen Füßen auf dem weichen Boden, ihr Rock schwang um sie, und die Sonne fiel durch die Baumwipfel und ließ ihr rötlich braunes Haar wie pures Gold aussehen. Dann verging das Licht, und das Bild war verschwunden, als mein Bruder die Tore seines Geistes fest schloss. Das ist alles, was ich sehe.
    Es genügt. Ich schauderte abermals. Ich hatte vergessen, meinen Umhang mitzunehmen.
    Wir werden alle gehen, einer nach dem anderen. Es wird keine Söhne geben. Es sind deine Kinder und die seinen, die Sevenwaters erben werden.
    »Sag das nicht!« sagte ich laut. »Versuche nicht das Schicksal! Du kannst nicht alles wissen.«
    Einiges weiß ich. Wieder zog er sich in sein Schweigen zurück, wandte seinen Blick in die Ferne über den See hinweg nach Westen.
    Einige Zeit später kamen Männer zu Conor. Zwei sehr alte Männer, die zu Fuß reisten. Ihr Haar war in viele kleine Zöpfe geflochten, und sie trugen Silberringe um den Hals und fließende Gewänder. Dies war der Ruf, auf den Conor gewartet hatte. Ich konnte es zunächst kaum glauben, dass er unseren Haushalt so einfach verließ, denn er war immer hier gewesen, die Stimme des Gleichgewichts und der Vernunft, der Bruder, der die Macht gehabt hatte, zwischen den anderen zu schlichten, der genug Willenskraft hatte, seine Brüder mit sich nach Harrowfield zu bringen, über das weite Meer, um endlich geheilt zu werden. Aber dies war seine Berufung. Er konnte die alten Überlieferungen und die mystischen Künste nicht lernen und gleichzeitig Familie und Túath aufrechterhalten. Er musste in den Wald und zu den tiefen Höhlen gehen und lernen, was gewöhnliche Menschen nicht konnten. Es würde viele, viele Jahre kosten.
    Ich hatte jedoch den Eindruck, dass diese beiden Alten meinen Bruder mit großem Respekt betrachteten, selbst wenn er nur ein Novize war. Hatte er nicht den größten Teil von
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