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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe
Autoren: Astrid Fritz
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das?»
    «Marthe-Marie. Sie hat uns hierher geschickt.»
    «Ist das wahr?»
    «Aber wenn ich es doch sage. Kommst du jetzt endlich?»
    «Nun – das ist ein bisschen überraschend.» Er war verwirrt. «Sagen wir, in einer halben Stunde. Ihr braucht nicht auf mich zu warten.»
    «Schön. Bis später.»
    Das Mädchen schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln, dann hakte es sich bei Tilman unter, und sie gingen davon.
    Jonas holte tief Luft. Was hatte das zu bedeuten? Wollte sie mit dem Abschied von den Gauklern zugleich den Abschied von ihm bekräftigen? Sie hatte ihm doch deutlich genug zu verstehen gegeben, dass sie ihren Weg allein gehen wolle.
    Oben in seiner Stube wusch er sich hastig Gesicht und Hals, fuhr sich mit dem Kamm zwei-, dreimal durch das dichte Haar, dann überlegte er, was er als Gastgeschenk mitbringen könne. In der Kammer hing noch ein Schinken, den einer seiner Lateinschüler ihm letzte Woche anstelle von Schulgeld übergeben hatte. Ach ja, und eine Fackel musste er sich noch besorgen. Sicherlich würde er erst nach Anbruch der Dunkelheit zurückkehren.
    Die Uferwiese lag im warmen Abendlicht, als er die Böschung hinunterkletterte. Die Truppe stand bereits um das lodernde Feuer versammelt, er hörte ihre Stimmen, die aufgeregt und fröhlich zugleich klangen. Da stimmte Marusch ein Abendlied ein, in das die anderen nach und nach einfielen. Ein Gefühl von Rührung überkam ihn, und er blieb stehen.
    Als die letzte Strophe verklungen war, entdeckte Marusch ihn und kam angelaufen.
    «Wie schön, dass du gekommen bist!»
    Sie zog ihn mit sich. Aus den Augenwinkeln sah er einen zotteligen Bären, der in gebührendem Abstand zu den Maultierenangepflockt war. Marthe-Marie stand neben dem jungen Hofer, ihr Gesicht leuchtete im Schein des Feuers. Zu ihren Füßen war eine Decke ausgebreitet, auf der ein kunstvoll gearbeiteter Lederschlauch neben einem prall gefüllten Beutel lag.
    Als sie sich umwandte, trafen sich ihre Blicke. Sie schien sich zu freuen. Unsicher nickte er ihr zu, dann trat er zu Sonntag, der ihn unterdes zu sich gewunken hatte.
    «Hier.» Der Prinzipal reichte ihm einen Becher randvoll mit Bier. «Lass es dir schmecken. Auf Marthe-Marie», rief er laut in die Runde, «und auf unseren Neubeginn!»
    Alle hoben ihre Becher und prosteten sich zu. Jonas leerte sein Bier fast in einem Zug. Plötzlich stand Diego neben ihm. «Im Licht des Feuers», sagte er leise, «sieht sie aus wie die Göttin der Morgenröte, findest du nicht? So aufrecht und stark.»
    Jonas sah ihn überrascht an. Kein Funken Spott lag in Diegos Stimme, eher so etwas wie Melancholie.
    «Hör zu Jonas, ich bin ein hanebüchener Idiot! Ich habe mich damals in Freudenstadt benommen wie der letzte Schinderknecht. Es tut mir von Herzen Leid.»
    Er stellte seinen Krug zu Boden und umarmte Jonas so kräftig, dass dem fast die Luft wegblieb. Mit halbem Ohr nur hörte Jonas den tiefen Bass des Prinzipals, wie er mit salbungsvollen Worten Pantaleon und Ulricus Botticher willkommen hieß. Endlich ließ Diego ihn wieder frei.
    «Was Marthe-Marie betrifft», hörte er Sonntag sagen, und seine Stimme klang nun alles andere als fest, «so will ich gar nicht erst in Worte fassen, was sie uns allen bedeutet. Schließlich ist sie jedem von uns ans Herz gewachsen, hat mit uns drei Jahre lang jeden Erfolg, jede Misere geteilt. Doch will ich jetzt nicht von Abschied sprechen, denn mit unserer wunderbaren Compagnie wird der Magistrat von Ravensburg uns um ein längeres Gastspiel förmlich anflehen. Und auch für die Zukunft hoffe ich», jetzt sah er Marthe-Mariedirekt in die Augen, und sein Blick wurde verschwommen, «dass wir uns immer wieder als Freunde begegnen werden. Alles Gute, meine liebe Marthe-Marie!»
    Er zog ein schmutziges Tuch aus dem Hosenbund und schnäuzte sich geräuschvoll. «Nun aber kommen wir zu den geheimnisvollen Schätzen, die Diego aus Freiburg mitgebracht hat.»
    Diego trat neben Benedikt und Marthe-Marie und beugte sich über die Decke. Jonas hielt sich weiterhin im Hintergrund. Noch immer konnte er sich nicht erklären, warum Marthe-Marie ihn hergebeten hatte.
    «Ich überlasse es euch», sagte Diego und leerte den Beutel aus, «die Münzen dieses ansehnlichen Haufens zu zählen. Es mag gestohlenes Geld sein, zusammengerafft von einem betrügerischen und habgierigen Hundsfott, doch sollte uns das nicht anfechten. Sehen wir es als geschenkten Gaul, über den wir uns freuen dürfen.» Er erhob sich wieder. Sein Gesicht
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