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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit
Autoren: Jo Zybell
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hierher gewiesen? Oder stammst du aus Jusarika und bist ein Gefährte unseres treuen Dieners Betavar?«
    »Das hier soll das Erbe der Goldzeit sein?« Jacub hob den Kristall hoch. »Ist das denn wirklich wahr?« Er konnte es einfach nicht glauben.
    »Alles Wissen der Goldzeit ist in diesem Kristall zusammengefasst«, sagte die Blechstimme. »Alles, was die Alten je gedacht, geschrieben und gebaut haben, ist in ihn eingeprägt. Es braucht geheime Künste, um es lesbar, sichtbar und nutzbar zu machen. Wenn wir genug fleißige Hände und kluge Köpfe beisammen haben, werden wir dieses Wissen wieder Gestalt gewinnen lassen. Wir werden eine neue Welt damit bauen, eine neue Goldzeit daraus erstehen lassen. Leg es zurück in die Truhe, mein Sohn! Noch gehört es Dashirin allein.«
    »Dashirin?« Aus schmalen Augen belauerte Jacub den uralten Eisenmenschen. »Du bist Dashirin ...?« Der Gedanke raubte ihm schier den Atem. Seine Stimme brach.
    »Wir sind Dashirin, ja«, tönte Alphatar. »Wir sind unsterblich.
    Doch der Preis dafür ist hoch - meine Glieder musste ich ablegen, meinen Mund, meine Augen, meine Zunge, sogar mein Gesicht ...«
    Jacub erinnerte sich an die Stunde nach seinem Sieg auf Blutgrund, als er Dashirin sein Leben weihte. Und nun stand er leibhaftig vor seinem Gott? Verwirrung ergriff ihn. Voller Abscheu und ohne wirklich zu begreifen, betrachtete er die schwarzen Eisenglieder Alphatars, betrachtete das fratzenhafte Visier mit den leuchtenden Sehschlitzen. Was redete diese gespensterhafte Erscheinung da? Der Eisenmann verfügte doch über seine Glieder, seinen Mund, seine Augen!
    »Ich tat es aus Liebe zur Menschheit!«, schnarrte Alphatar blechern. »Ich tat es, weil ich wusste, dass irgendwann wieder eine Epoche anbrechen wird, in der mein Geist und mein Wille aufs Neue gebraucht werden. Seit über fünfhundert Jahren lebe ich nun in diesem Schrein .«
    Jacub fuhr herum und starrte in die leuchtende Flüssigkeit hinter der Glaswand. Eine eiskalte Hand schien nach seinem Herzen zu greifen.
    ». und jetzt stehen wir an der Schwelle zur Neuen Goldzeit, und bald wird meine weise Herrschaft ein zweites Mal die Welt ordnen und danach nie mehr enden. Ein Paradies werde ich der Menschheit erschaffen, zusammen mit meinen treuesten Dienern werde ich die Wahre Goldzeit erschaffen, als lieblicher Garten voller Frieden, Reichtum und Glück soll diese Erde dann unter meiner Herrschaft erblühen .«
    Jacub hörte kaum noch zu. Ganz nah trat er an die Glaswand heran. Er presste die Stirn dagegen und spähte in die trübe, blau leuchtende Flüssigkeit, versuchte sie mit Blicken zu durchdringen. Etwas trieb darin, das wie ein Klumpen Fleisch aussah: hell, vielfach gewunden, von ebenmäßiger Form. Ein menschliches Herz? Dazu war es zu groß. Ein menschliches Hirn? Schon eher. Ja, ein Hirn mochte das Fleischding sein, das da hinter der warmen, bauchigen Glaswand schwamm. Und nicht Alphatar sprach zu ihm, das hirnartige Fleischding, das da hinter der Glaswand in der trüben Flüssigkeit lebte, das sprach mit Alphatars blecherner Stimme. Die Härchen in Jacubs Nacken, auf seinen Schultern und Armen richteten sich auf. Er fror plötzlich.
    »Damals, als keiner mehr leben konnte auf der Oberfläche der Erde, ließ ich mich von meinen treuesten Untertanen aus meinem Körper in dieses Becken verpflanzen. Ein Abbild meines Geistes bannten meine Getreuen in das gebündelte Licht unter Alphatars Helm. Und weil ich wusste, dass die Finsternis lange währen würde, und weil ich in meiner Weisheit ahnte, wie lange ich würde warten müssen, bevor die Zeit wieder reif ist für einen wie mich, schuf ich mir also Hände und Füße und Gesichter und Zungen und Augen und Münder. Viele sind längst wieder zerfallen, nur Alphatar, der Träger meines Geistes, ist übriggeblieben und Betavar, mein jüngster Körper, mein starker und treuer Diener. Wo ist er überhaupt? Warum kommt er nicht zurück zu uns?«
    »Er kann nicht mehr kommen.« Jacub erschrak vor seiner eigenen Stimme. Hohl und dumpf hallte sie durch den Saal der Unsterblichkeit. Er trat einen Schritt zurück und presste den Kristall gegen das Brustbein. »Ich habe ihn getötet.«
    Alphatar stieß einen blechernen Schrei aus und stürzte sich auf den Rotschopf. Der trat ihn vor die Brust, so dass der Eisenmensch zurücktaumelte, gegen den Altar prallte und auf dem Boden aufschlug. Sein Visier verrutschte, und Jacub musste die Augen schließen, um nicht geblendet zu werden. Er
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