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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Anton wäre auch fast einmal da gewesen, wenn er nicht im Nürnbergischen von der Reisekrankheit heimgesucht worden wäre, weshalb er sofort zurückkehren musste.« Ricardas Mutter, die neben ihr stand, stieß ihr den Ellenbogen in die Seite. Ricarda jaulte auf, wurde jedoch sofort von Anton beruhigt.
    Francis drückte Bettys Arm.
    »Ist es das, was du mir zeigen wolltest?«
    »Sie sind klein und nichtig, findest du nicht?«, flüsterte er zurück. »Ich wollte, dass du das siehst, bevor wir abreisen.«
    Betty bemerkte aus den Augenwinkeln, dass sich in der Nähe
eine immer größer werdende Schar von Schaulustigen versammelte. Viele von ihnen waren im Sonntagsstaat. Betty sah verhärmte Frauen, die ihre reinlichen, aber fadenscheinigen Röcke, selbst bestickte Schultertücher aus grober Schafswolle und ihre Sonntagshauben trugen. Sie sah Männer, die ihre schwieligen Hände kneteten, und Kinder, denen der Mund offen stand.
    Da entdeckte sie plötzlich Fenja. Konnte es sein, dass sie inmitten der Menge stand und ihrer Ankunft zusah? War sie nicht damals bei ihrem Versuch gestorben, sich im Mühlrad das Leben zu nehmen?
    »Entschuldige mich bitte für einen Moment!« Sie hatte Francis’ Hand losgelassen und war im gleichen Moment über die Straße gestürmt. Die Menge raunte.
    »Wo willst du denn hin, Betty?«
    Sie sah noch, wie Frau Remburg eine Hand hob und sofort wieder sinken ließ. Dann reichte jemand ein Riechfläschchen und Frieda Remburg schnappte es und hielt es sich röchelnd unter die Nase.
    Betty hatte die Menschenmenge erreicht.
    »Fenja! Du bist es wirklich!«
    Die kräftige junge Frau nickte und drückte zwei Kinder an sich, die jedes an einem Rockzipfel hingen. Fenja rang nach Luft, knickste hektisch und erbleichte, sodass ihr Gesicht fast die Farbe ihrer weißen Sonntagsbluse annahm. Dann errötete sie wie eine Kirsche, stammelte, dass der Mann hinter ihr der ihre sei und dass sie das dritte Kind erwarte; das erste hieße Betty. Das kleine Mädchen erhielt einen kleinen Stoß und machte nun ebenfalls einen Knicks.
    »Betty! Du hast dich überhaupt nicht verändert, ich meine, du warst schon immer so wunderschön!« Fenja stockte und machte einen tiefen Knicks. »Ich meine, gnädige Frau, ich meine, Eure Exzellenz!«

    Betty lachte und breitete die Arme aus. Tränen kullerten über ihr Gesicht. »Fenja, ich bin so froh, dich wiederzusehen!« Sie schloss Fenja in die Arme, aber diese stand starr wie eine Säule.
    »Ist das deine Freundin? Guten Tag, Madame, es freut mich sehr, Sie kennenzulernen!« Betty hatte nicht bemerkt, dass Francis näher gekommen war. »Und das sind Ihre Kinder? Sehr wohlgeraten sehen sie aus!« Er reichte Fenja die Hand, und diese knickste so tief, dass sie fast das Gleichgewicht ver lor. Die winzige Betty an ihrer Seite machte auf einen kurzen ermahnenden Blick von Fenja hin einen ebenso tiefen Knicks wie ihre Mutter. Fenja erhob sich wieder an Francis’ stützender Hand. »Ich habe einen guten Mann gefunden, wenn er auch nicht ganz so schön ist wie deiner, Betty, ich meine, gnädige Frau, ich meine, Exzellenz!« Sie knickste wieder. Dann gab sie ihrem Mann einen Stoß in die Rippen, der sich nun ebenfalls verbeugte, während er seine Mütze in der Hand drehte.
    »Er ist sehr gut zu mir«, rief Fenja und rote Flecken erblühten auf ihren Wangen. »Er hat eine gute Arbeit am Hafen, er kümmert sich um uns alle, auch um die kleine Betty, die ja gar nicht von ihm ist, und er macht mir jedes Jahr ein Kind!«
    Francis schaute Fenja freundlich an. »Na, wenn das so ist, dann gebe ich mich zunächst als der Zweitbeste geschlagen. Ich bin zwar auch gut zu Ihrer Freundin Betty, und ich habe auch eine ordentliche Arbeit, ebenso wie Ihr Mann, aber ob Betty jedes Jahr ein Kind von mir haben möchte, das wird sie mir noch mitteilen müssen!«
    Fenja strahlte ihn an und Francis lächelte zurück. Dann strich er der winzigen Betty an Fenjas Hand über die dünnen Haare, nahm Bettys Arm und führte sie zum Haus der Remburgs zurück.

    »Wir werden nicht lange auf dem Fest bleiben, nicht wahr?«, fragte Betty.
    Francis’ Augen waren ihrem Gesicht ganz nah. »Wir müssen auch gar nicht dort hingehen, wenn du nicht möchtest!«
    Betty lächelte ihn an. »Ich denke, dass ich jetzt alles gesehen habe, was ich sehen wollte. Ich muss nicht mehr auf dieses Fest gehen. Ich muss auch nicht mehr hierbleiben. Wir können dann jetzt nach Hause fahren.«
    Er schlang seinen Arm um sie und küsste sie.
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