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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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hat verrückte Ideen. Was er bei den Silberschmieden will, weiß mein Vater auch nicht.« Vor lauter Aufregung zitterte Anton jetzt sogar leicht, obwohl es bereits warm war und die Sonne schon seine helle Haut gerötet hatte. »Ehrlich gesagt fand ich ihn eigentlich ganz freundlich und er sah auch gut aus, oder? So abenteuerlich und verwegen!« Er schob Betty fast zum Gartentor hinaus. »Heute Morgen hatte ich mich noch so auf den Tag gefreut. Nicht nur, dass wir jetzt ganz vergeblich so früh aufgestanden sind. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass alles verdorben ist.«
    Betty legte dem Freund beschwichtigend eine Hand auf den Arm. »Wir gehen morgen früh noch einmal los. Bestimmt hält sich das Wetter und dann können wir vielleicht eine gute Fotografie von mir am Deich machen.«
    »Von dir könnte ich überall eine gute Fotografie machen«, antwortete Anton, und Betty spürte, wie allein das Wort Fotografie bei ihm die Stimmung wandelte. »Nur dass du zum Fotografieren still sitzen müsstest und das tust du ja nicht. Also müssen wir viel Licht haben und viele helle Stoffe, die das Licht reflektieren, dann muss ich nicht so lange belichten! Dein helles Kleid ist perfekt, genau so hatte ich es mir vorgestellt. Kannst du das morgen noch einmal anziehen?« Er lächelte ihr schüchtern zu. »Wenn wir zusammen sind, fühle ich mich immer gleich viel besser.«
    Betty tat so, als hätte sie diese Bemerkung gar nicht erst gehört. Anton sagte öfter Dinge, die jedes Mädchen zum Erröten gebracht hätten. Nur bei ihr funktionierte das niemals. Vielleicht
lag es daran, dass sie einander schon seit ihrer frühesten Kinderzeit kannten. »Ich kann so nicht mitkommen, ich muss erst noch ins Haus und mir die Haare zusammenbinden. Und das Kleid... sieht es wirklich aus wie ein Nachthemd?«
    Anton sah sie ruhig an. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Ich finde, dein Kleid sieht sehr gut aus. Selbst wenn ich mal die Belichtungszeit für eine Fotografie außer Acht lasse. Vor allem sieht es gut aus, wenn du es vorne noch etwas mit der Hand abstaubst. Das Herumrutschen auf dem Boden ist ihm nicht so gut bekommen. Und hier ist deine Spange. Tut mir leid, dass ich sie nicht schneller gefunden habe.« Er griff in seine Hosentasche und reichte ihr die schmale Silberspange. »Hat dieser John Francis Jocelyn dir übrigens irgendeine andere Spange geschenkt? Ich hab mich nicht getraut, nach unten zu sehen, aber es kam mir so vor, als wenn sich die Sache mit den offenen Haaren plötzlich geklärt hätte.«
    Betty nahm ihre eigene Haarspange zwischen die Zähne, ordnete ihr Haar und steckte es sich im Nacken zusammen. Der lose Teestaub ließ sich leicht vom Kleid klopfen, er rieselte ins Gras und leuchtete im Sonnenlicht wie goldener Schnee. Betty sah fasziniert zu, wie er zu Boden sank, bis Anton hörbar aufseufzte.
    »Ach, die Spange, das war nur irgendeine Klammer, die am Boden lag. Vielleicht hat eine eurer Mägde sie dort verloren. Nun komm endlich.« Was sagte sie da nur? Warum schwindelte sie? Anton konnte man doch gar nicht anschwindeln und sie wollte es auch nicht tun. Was war heute nur los mit ihr? Bildete sie sich das nur ein oder sah Anton sie jetzt auch merkwürdig von der Seite her an?
    Es war immer noch sehr früh. Sie gingen durch die kleine Pforte an der Seite des Gartens und folgten dem Weg zum Hafen. Schon wehte ihnen ein zarter Meerwind entgegen. Die
Flut im Dollart wellte sich auf, deshalb roch er frisch und seidig und überhaupt nicht nach dem modrigen Wattenmeer oder gar nach Fisch, wie sonst manchmal. Betty war sogar sicher, dass bei dieser Flut keine Schiffe mit frischem Fang anlanden würden, denn weder war der zarte Duft von zappelndem Fisch zu riechen noch der Moder der dunklen Steinkrebse, die den Fischern mit in die Netze gingen.
    Soeben schlug die Kirchturmuhr halb sieben. Anton ging mit einigem Abstand neben Betty her. Früher hatten sie sich an den Händen gehalten, wenn sie zusammen zum Deich liefen, aber diese Zeiten waren schon lange vorbei. Betty hatte einige Male festgestellt, dass die Frauen, die vor ihren Haustüren standen und sich mit Nachbarinnen unterhielten, mittlerweile immer verstummten, wenn Anton und sie gemeinsam an ihnen vorbeigingen. Beim Spazierengehen konnten sie sich jedenfalls nicht mehr in Ruhe unterhalten.
    Auf dem Deich war der Wind noch etwas frischer. Das Meer am Dollart glitzerte in der Morgensonne. Es würde ein heißer Tag werden, das spürte man schon jetzt.
    Betty
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