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Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Titel: Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
Autoren: Brett McBean
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waren die Ventilationsschächte, die aus dem Erdboden ragten.
    Direkt unter sich entdeckte Simon eine Tankstelle, die bis auf einen Lieferwagen, der neben einem Tankwagen parkte, vollkommen verwaist war. Ihm schoss die Frage durch den Kopf, was sich wohl dort abgespielt hatte. Hatten Zombies unvermittelt angegriffen oder waren es die Meldungen über einen Genozid gewesen, welche die Menschen erschreckten und vertrieben?
    Simons Blick schweifte zum Stuart Highway und er musste unwillkürlich an die Tausende von Menschen denken, die dieser Asphaltstreifen mit dem verband, was einst Zivilisation gewesen war. Was passierte momentan wohl dort draußen? Welches Schicksal wartete auf die Welt? Wer würde als Sieger aus dem Kampf hervorgehen?
    Es überraschte ihn wenig, als ihm bewusst wurde, dass das Schicksal der Menschheit für ihn von eher geringer Bedeutung war. Er stand hier, an einem Ort, der ihm wie das Ende der Welt erschien, und alles, was für ihn zählte, war Tully. Diese ganze Reise – sechs Monate voller brennender Hitze, trockener Winde und schmerzender Muskeln – hatte er allein ihretwegen auf sich genommen.
    Es war an der Zeit, die Angelegenheit zu Ende zu bringen und Tully das größte Geschenk zu machen, das er ihr noch machen konnte.
    Es war an der Zeit, sein Versprechen einzulösen.
    Er trottete den Hang hinunter, obwohl sein ausgemergelter Körper längst die Schwelle zur völligen Erschöpfung hinter sich gelassen hatte, und schleppte sich durch die Stadt. Dabei lugte er immer wieder durch die Fenster der Läden und der wenigen oberirdischen Wohnhäuser, um nach irgendeinem Anzeichen von Leben Ausschau zu halten, während der nervenaufreibende Sandsturm weiter über sein Gesicht und seine Hände fegte.
    Er wanderte an verlassenen Bergbaugerätschaften und Souvenirläden vorbei, die Opale verkauften und deren Schilder noch immer »geöffnet« verkündeten, bis er endlich eine der unterirdischen Kirchen erreichte, von denen Tully so oft geschwärmt hatte. Es war schon komisch, dass ein solcher Ort eine solche Faszination auf sie ausübte, wenn man bedachte, dass sie Atheistin war. Trotzdem brachte er sie nun dorthin.
    Im vorderen Bereich spendete ein Anbau Schatten, die Lehmmauer darüber zierte ein Kreuz. Er griff nach dem Türknauf, drehte ihn und war erleichtert, als sich das Portal ohne Widerstand öffnen ließ. Er trat ein.
    Bei geschlossener Tür war es in dem relativ kleinen Raum erstaunlich kühl. Einige Lampen brannten noch und tauchten das Innere in ein orangefarbenes Leuchten. Simon erwartete nicht, jemanden anzutreffen, und tatsächlich schien alles verlassen zu sein. Mit ihren weißen Lehmwänden, den hölzernen Bankreihen und der Jesusfigur, die hinter einer unaufdringlichen Kanzel an ein Kreuz genagelt hing, wirkte die Kirche eher schlicht. Und doch verbreitete sie eine gewisse Schönheit und spendete Trost – etwas, das Simon seit langer Zeit nicht mehr empfunden hatte. »Ich muss zugeben«, sagte er zu sich selbst, »dass das ziemlich unglaublich ist.«
    Er stellte den Seesack auf dem harten Erdboden ab, stellte den Tornister daneben, öffnete ihn und entnahm ihm eine Wasserflasche, die er komplett leerte. Es war nicht länger nötig, sparsam damit umzugehen. Er hatte noch immer eine volle Flasche für den Moment übrig, wenn Tully aus ihrem Schlaf erwachte.
    Als die Flasche leer war, stellte er sich vor den Seesack, zog an den Kordeln, die ihn verschlossen, öffnete ihn und befreite seine schlafende Frau daraus.
    »Hey, du. Rate mal, was. Wir sind da.«
    Natürlich antwortete sie ihm nicht. Durch das Morphium war sie noch immer völlig weggetreten, aber er hatte ihr die übliche Dosis in den letzten paar Tagen absichtlich vorenthalten und hoffte, dass sie bald aus ihrer totenähnlichen Starre erwachen würde.
    Simon beugte sich zu ihr herab und nahm sie in den Arm. Sie war ganz leicht – kaum 30 Kilogramm – und leichenblass, aber trotzdem wirkte sie noch immer wunderschön, wenn sie schlief. Er trug sie zu einer der Kirchenbänke hinüber und legte sie sanft darauf ab. Dann holte er die letzte Wasserflasche, setzte sich neben sie und begann zärtlich, die warme Flüssigkeit auf ihre Lippen zu träufeln. »Bald ist alles vorbei, Liebling. Mach dir keine Sorgen.«
    Kurze Zeit später erwachte Tully allmählich. Simon war eingeschlafen und träumte von Menschen ohne Kopf, die mit ausgestreckten Armen auf ihn zutaumelten und nach ihm schnappten, als ihn Tullys leises Stöhnen wieder
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