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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel
Autoren: Charlotte Link
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würden wir gerne zusammen wegfahren. Für länger, meine ich.«
    Phillip kippte die Tomaten in eine Salatschüssel. »Klar. Sie wird Erholung nötig haben, nicht? Wohin wollt ihr denn?«
    »Darüber wollte ich eben mit dir sprechen. Ich dachte an die Provence.«
    »An Duverelle etwa?«
    »Seit Ewigkeiten war keiner von uns mehr im Häuschen. Es wäre auch eine gute Gelegenheit, nach dem Rechten zu sehen.«
    »Ich trage mich schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken, das Haus zu verkaufen«, sagte Phillip, »es kostet nur noch Unterhalt und wird nicht mehr genutzt.«
    »Aber es verbinden sich so viele Erinnerungen damit. Alle unsere Ferien früher...«
    »Ja«, sagte Phillip, »früher...« Einen Augenblick lang hing er ein paar schönen, verschwommenen Bildern nach, dann bemerkte er, daß sein Sohn ihn abwartend ansah.
    »Von mir aus könnt ihr dort gerne Urlaub machen. Jederzeit. Ich fürchte nur, deine Tina wird sich dort langweilen. Sie würde doch sicher lieber in ein schickes Hotel an der Côte d’Azur fahren?«
    »Es wird ihr schon gefallen«, meinte Mario, »ich treffe sie nachher, da werde ich ihr gleich die gute Nachricht überbringen.«

    Etwas in seinem Tonfall irritierte Phillip. Er betrachtete seinen Sohn nachdenklich. Mario hatte weder glücklich geklungen, noch sah er glücklich aus. Er schien keineswegs erpicht darauf, mit Tina zu verreisen.
     
    »Irgend etwas mußt du falsch machen«, sagte Dana. Sie saß auf dem Fensterbrett in Tinas Zimmer, die Füße auf die Rückenlehne eines Sessels gestützt, ein aufgeschlagenes Physikbuch auf dem Schoß. »Wahrscheinlich ermutigst du ihn nicht genug.«
    Tina lag mitten im Zimmer auf dem Bauch, ebenfalls ein Physikbuch vor sich und offenbar genausowenig mit seinem Inhalt beschäftigt wie ihre Freundin. Sie und Dana kannten sich seit dem ersten Schuljahr. Sie vertrauten einander ohne jeden Vorbehalt; es gab nichts, was sie nicht geteilt hätten. Äußerlich waren sie sehr verschieden: Die zierliche, blonde Tina reichte der kräftigen, dunkelhaarigen Dana gerade bis zur Nase. Dana hatte bereits mit zwölf Jahren den Körper einer Frau gehabt, während Tina selbst jetzt mit achtzehn noch wie ein mageres Kind aussah. Es deprimierte Tina manchmal, miterleben zu müssen, welch eine heftige Wirkung Dana auf Männer hatte; sie zog sie geradezu magisch an, wo immer sie ging und stand. Selbstverständlich hatte sie bereits die wesentlichen Dinge des Lebens in ihrer ganzen Bandbreite ausprobiert: Sex, Hasch rauchen und mit windigen Typen durchbrennen. Sie war mit einer Motorradgang nach Spanien zu einem Rockfestival gebraust und auf eigene Faust durch Kanada getrampt. Mit einem ältlichen Liebhaber hatte sie sich ein Jahr lang - sie war fünfzehn gewesen - einmal pro Woche in einer Suite im »Atlantic« getroffen, sich mit Kaviar füttern lassen und eine ganze Kollektion Modellkleider abgestaubt. Gleichzeitig war sie mit einem langhaarigen Herumtreiber liiert gewesen, mit dem sie sich auf dem Rücksitz seines
altersschwachen, buntbemalten Käfers amüsiert hatte. Dana hatte weder Dünkel noch Prinzipien. Sie nahm mit, was ihr Spaß machte, und da ihre Mutter, eine alleinerziehende, liberale Journalistin, schlechthin alles erlaubte, stieß sie nie an eine Grenze. Trotz allem hing sie mit einer rührenden Liebe an der altmodischen Tina, die ihr, zusammen mit dem konservativen Michael, den Halt gab, nach dem sie, ohne es zu wissen, ständig suchte.
    »Vielleicht hat ihn eingeschüchtert, was ich ihm von meinem Vater erzählt habe«, meinte Tina nun, Danas Bemerkung aufgreifend. »Er denkt sicher, wenn er mir nur einen Schritt zu nahe kommt, wird Vater ihn erschie ßen.«
    »Ganz unbegründet wäre diese Sorge natürlich nicht«, sagte Dana. Sie trug Jeans, dazu ein Oberteil, das ihren Nabel freiließ und so über ihren vollen Brüsten spannte, daß Michael, der ihr unten im Flur begegnet war, verlegen zur Seite geblickt hatte. »Trotzdem, dieser Mario ist ein junger Typ von vierundzwanzig Jahren. Er sollte Manns genug sein...«
    »Was?« fragte Tina.
    Dana grinste. »Mein Gott, Tina, ihr seid oft genug allein! Ich meine, dein Vater sieht’s dir hinterher schon nicht an.«
    Tina wurde rot, Dana übersah dies taktvoll. »Nur gut, daß du darauf bestanden hast, daß er mit dir verreist«, sagte sie.
    »Er fragt heute seinen Vater, ob er das Haus bei Nizza haben kann«, erklärte Tina.
    »Also, ich würde sagen, das ist seine letzte Chance. Wenn er da auch nicht mit dir
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