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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition)
Autoren: Bernhard Jaumann
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Spiel hatte.
    Und wissen Sie, wann ich das begriffen habe, Euer Ehren? Als ich am Heroes’ Acre neben dieser kitschigen Statue hockte. Vor mir ragte der weiße Obelisk auf, und als ich an ihm nach oben blickte, schien er plötzlich zu schwanken. Ich glaubte wirklich, er stürze um, zerschmettere gleich die Statue und mich, aber er fiel und fiel, ohne näher zu kommen, und dann erkannte ich, dass es nur eine Täuschung war. Ein optischer Effekt, der durch die über den Himmel jagenden Wolken zustande kam.
    Sieh an, dachte ich, so leicht ist es, die Welt aus den Angeln zu heben! Ein paar ziehende Wolken genügen, um alles ins Wanken zu bringen, eine flüchtige Bewegung, die nicht viel länger dauert als das Krümmen eines Zeigefingers und das Sterben eines Mannes. Was gerade noch entscheidend schien, nämlich ob der Obelisk fiel oder nicht, wurde plötzlich völlig unerheblich, und in dem Moment wusste ich, dass die Albträume aufhören konnten, dass ich nicht für den Rest meines Lebens vor mir selbst davonlaufen musste, dass ich mich nicht wieder und wieder durch die Erinnerungen quälen brauchte. Ja, ich hatte geschossen. Ja, ich war schuldig. Und ich war fest entschlossen, das aller Welt mitzuteilen.
    Wenig später kam Fourie die Stufen herauf. Er fragte mich, ob ich Interesse hätte, weiterzuleben.
    «Auf jeden Fall» , sagte ich, obwohl «weiterleben» nicht das richtige Wort war. Ich fühlte mich wie neugeboren. Dass ich im Knast landen würde, schreckte mich nicht. Ich freute mich unbeschreiblich auf die erste Nacht, in der ich ruhig schlafen würde.
    «Dummerweise will die Polizei Sie unbedingt abknallen» , sagte Fourie. «Nur ich kann Sie lebend hier herausbringen, und das werde ich auch, wenn Sie öffentlich aussagen, wie ihr damals Anton Lubowski erschossen habt. Würden Sie das tun?»
    «Kein Problem» , sagte ich.
    «Die Wahrheit, die volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit?»
    «Natürlich» , sagte ich. Ob Fourie mir glaubte, dass ich es ernst meinte, weiß ich nicht. Er hatte wohl keine andere Wahl. Jedenfalls erklärte er mir seinen Plan. Ich solle eine Pressekonferenz fordern. Dem würde die Polizei zustimmen, wenn ich ohne Sprengstoff hinunterginge.
    «Dann erschießen die mich doch!» , sagte ich.
    Das würden sie nicht, meinte er, weil ich nämlich erst nach der Pressekonferenz verraten würde, wo ich die entführte Frau des leitenden Polizeibeamten gefangen hielte. Ich war etwas überrascht, schließlich hörte ich von der Entführung zum ersten Mal, aber ich begriff natürlich, dass das eine Chance war. Wenn die Polizisten wirklich glaubten, ich wüsste da Bescheid, würden sie mich schwerlich töten.
    «Und wo ist die Frau?» , fragte ich.
    «Woher soll ich das wissen?» , fragte Fourie zurück. «Sagen Sie einfach, in einer Berghütte auf der Farm Lewensvrede, fünfzig Kilometer südlich. Von der Farmpad müsse man nach vier, fünf Kilometern rechts abbiegen. Bis die merken, dass das nicht stimmt, sitzen Sie schon in Polizeihaft, außer Reichweite von irgendwelchen übereifrigen Scharfschützen. Bei den weiteren Verhören wird man Sie vielleicht hart anfassen, aber nicht umbringen, solange die glauben, dass Sie den Aufenthaltsort der Frau kennen. Erst wenn Sie vor den Haftrichter kommen, sagen Sie die Wahrheit: Die Entführungsgeschichte war eine Schutzbehauptung, weil die Polizei Ihnen nach dem Leben trachtete. Steht diese Aussage in den richterlichen Akten, sind Sie endgültig sicher. Die Polizei wird es nicht mehr wagen, Ihnen ein Haar zu krümmen.»
    Das leuchtete mir ein.
     
    Die Wegbeschreibung, die Donkerkop geliefert hatte, war Clemencia eher vage vorgekommen, doch vor Ort erwies sie sich als absolut zuverlässig. Exakt viereinhalb Kilometer nach der Einfahrt zur Farm Lewensvrede, kurz vor der Stelle, an der sie den Citi Golf im Rivier versenkt hatte, bog rechts eine offensichtlich wenig benutzte Fahrspur ab. Es war die einzige weit und breit, sie teilte sich nicht, führte geradewegs in ein Tal hinein, wand sich höher und endete in einem Kessel, in dessen Mitte sich eine windschiefe Schutzhütte befand. Das Dach war zur Hälfte eingestürzt, der Wassertank daneben geborsten, nur der Turm eines längst demontierten Windmotors stand noch und ragte ein gutes Stück darüber hinaus.
    Die Eisenkette, mit der Oshivelos Frau an das Gestänge gefesselt war, hatte einige Meter Spiel. Gerade genug, um ihr den Rückzug in die Hütte zu erlauben, wo ein wenig Proviant und zwei Kanister
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