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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden
Autoren: West Morris L.
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Signore«, dienerte Roberto.
    »Wir setzen uns an einen Tisch.«
    Ashley ging voraus zu dem kleinen Kaffee-Tischchen, auf dem noch sein Manuskript in dem Hefter lag. Harlequin folgte ihm, Roberto beobachtete sie verstohlen, während er die Drinks eingoss. Der Engländer steckte sich eine Zigarette an und rauchte schweigend, bis Roberto die Drinks serviert und sich diskret hinter seine Bar zurückgezogen hatte. Dann hob Harlequin sein Glas.
    »Viel Glück, Ashley!« sagte er grinsend.
    »Ihnen ein kurzes Leben und einen miserablen Tod!« Ashley kippte sein Glas in einem Ruck hinunter und stellte es auf den Tisch. »Also, Harlequin, schießen Sie los. Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
    Harlequins Augen waren milde und undurchdringlich. Er verzog den Mund.
    »Die Antworten dürften Sie wohl schon wissen.«
    »Ich würde sie gern von Ihnen hören.«
    Der kleine Mann zuckte die Schultern und legte seine Zigarette sorgsam auf den Rand des Aschenbechers.
    »Bitte sehr.« Mit einer ausholenden Geste stützte er die Ellbogen auf den Tisch und preßte die Fingerspitzen einzeln gegeneinander.
    »Sie haben sechs Monate lang eine Anklage vorbereitet.«
    »Ich habe eine Reportage gemacht …«
    »… die in ihrer Wirkung eine Anklage gegen gewisse italienische Politiker ist. Eine Anklage wegen Betrug, Schiebungen und Fehlleitung von Beträgen aus dem Dollarfonds.«
    »Genau.«
    »Ein bemerkenswertes Stück Arbeit, Ashley.«
    »Sie haben's selbstverständlich gelesen?« fragte Ashley höhnisch.
    »Das hab' ich in der Tat«, antwortete George Harlequin liebenswürdig. »Jede Zeile, sogar die Fußnoten.«
    Ashley starrte ihn voll feindseliger Überraschung an.
    »Einen Dreck haben Sie!«
    »Für einen erfahrenen Journalisten sind Sie ziemlich sorglos mit Ihren Papieren umgegangen.«
    Ashley beugte sich weit über den Tisch. Er kniff die Augen zusammen. Sein Mund wurde hart.
    »Was sind Sie eigentlich, verdammt noch mal?«
    »Berufstätig.«
    »Was heißt hier berufstätig?«
    Harlequin machte eine großzügige Handbewegung.
    »Nun … Kontaktmann, Kurier, Unterhändler …«
    »Agent?«
    »Nennen Sie's, wie Sie wollen.«
    »Wen vertreten Sie?«
    »Die Regierung Ihrer britischen Majestät. Äh – inoffiziell selbstverständlich.«
    »Aha.« Ashley lehnte sich in seinen Stuhl zurück und lachte. »Sie machen mich stolz, Harlequin. Sollte sich wirklich die britische Regierung für mich interessieren?«
    »Sie wollen die Orgagna-Photokopien kaufen, nicht wahr?«
    Ashleys Augen wurden hart. Schon wieder fühlte er sich unsicher. »Das wissen Sie also auch?«
    »Natürlich.«
    »Also gut. Ich werde sie kaufen. Und zwar in rund zwanzig Minuten. Hier in diesem Raum, an diesem Tisch.«
    »Und damit wird Ihre Anklageschrift komplett sein?«
    »Bis auf den letzten i-Punkt. Der Große und die Kleinen werden auf der Anklagebank der öffentlichen Meinung sitzen. Die Photokopien sind der abschließende schlüssige Beweis eines der größten politischen Finanzskandale des zwanzigsten Jahrhunderts. Geplant und ausgeführt von Seiner Exzellenz, dem Herzog von Orgagna.«
    »Was für ein Jammer«, sagte George Harlequin. »Was für ein großer Jammer! Wann wollen Sie die Story drucken?«
    »Ich könnte mir denken, daß sie übermorgen kommt. Zeitlich liegt sie ausgezeichnet. Zehn Tage vor den italienischen Wahlen.«
    »Ihr Amerikaner habt wirklich einen ausgeprägten Sinn für Theatercoups«, meinte Harlequin bekümmert. Er stand auf, ging zur Terrassentür und blieb stehen, den Blick auf das sonnenübergossene Meer gerichtet. Dann wandte er sich um. »Würde es Ihnen was ausmachen, wenn wir hier draußen weiterreden?«
    »Wie Sie wünschen.«
    Ashley klemmte sein Manuskript unter den Arm und ging auf die Terrasse. Harlequin begann langsam auf und ab zu schreiten. Ashley ging neben ihm. Der kleine Engländer lächelte nicht mehr.
    »Ich nehme an, Ashley«, sagte er, »daß Sie die politische Situation dieses Landes kennen. Es gibt eine starke, wohlorganisierte Linke und eine kleine, immens reiche reaktionäre Rechte. Dazwischen steht eine schwache Koalition der Mitte: die Gemäßigten beider Flügel, die die Regierung stützen.«
    »Stimmt genau.«
    »Es liegt im Interesse Europas, im Interesse Großbritanniens und Amerikas, diese Koalition der Mitte beizubehalten und zu stärken.«
    »Stimmt auch.«
    »Der Mann, der sie bisher zusammengehalten hat, ist Orgagna.«
    »Da bin ich anderer Ansicht«, erwiderte Ashley.
    Harlequin rührte sich nicht. Es
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